Gabriel: Libyen ist ein unsicherer Platz

Flucht Die SPD streitet über die Frage, wie die massenhafte Flucht aus Libyen begrenzt werden kann

Nördlich von Libyen: Helfer retten Flüchtlinge Foto: Emilio Morenatti/ap

BERLIN/BRÜSSEL rtr | Die Bundesregierung will zusammen mit der EU die Mittelmeer-Fluchtroute auch mithilfe der Länder in Nordafrika schließen. Die Herkunfts- und Transitländer sollten unterstützt werden, damit Menschen dort eine Alternative zu Flucht oder Migration hätten, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Schleuser dürften nicht länger Geschäfte mit dem Leben der Menschen machen. Durch das Abkommen mit der Türkei habe man damit Erfolge auf der Ägäis-Route gehabt. Man sei hier aber noch am Anfang. Auch das Außenministerium sagte, die Bestrebungen der EU zur Schließung der Route seien richtig und erforderlich. Man werde aber darauf achten, dass dies sowohl den Werten als auch den Interessen Deutschlands entspreche, sagte ein Sprecher. Er betonte, besonders Libyen müsse zunächst stabilisiert werden.

Weder Seibert noch der Sprecher des Außenministeriums äußerten sich direkt zum Vorschlag von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann, gerettete Flüchtlinge wieder nach Nordafrika zurückzubringen. Oppermann hatte in einem ­Gastbeitrag für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung nicht nur eine engere Kooperation mit nordafrikanischen Ländern gefordert, sondern auch geschrieben: „Um die Schleuserbanden wirksamer zu bekämpfen, müssen wir ihnen die Geschäftsgrundlage entziehen, indem die im Mittelmeer geretteten Flüchtlinge wieder zurückgebracht und zunächst in Nordafrika versorgt und betreut werden.“ Dies führte zu Protest bei Linken und Grüne, aber auch in der eigenen Partei.

SPD-Vizechef Thorsten Schäfer-Gümbel nahm den Fraktionschef in Schutz: Oppermann sei es darum gegangen, den Tod vieler Menschen im Mittelmeer zu verhindern. Er habe zudem „deutlich angedeutet“, dass „die Idee einer Verabredung mit Libyen“ ihn überhaupt nicht überzeuge mit Blick auf die rechtsstaatliche, soziale und wirtschaftliche Situation in dem Land. Wenn man reden müsse, dann mit Ländern wie Tunesien und Marokko.

Außenminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel machte in Brüssel klar, dass er Libyen nicht für ein sicheres Land halte: „Libyen ist nach unseren Überzeugungen ein sehr unsicherer Platz.“

Der slowakische Außenminister Miroslav Lajčák lehnte es vor Beginn des EU-Außenrates ab, nach dem Vorbild des Abkommens mit der Türkei Flüchtlinge nach Libyen zurückzuschicken: „Das ist vorläufig keine Option.“ Die Situation in Libyen sei grundlegend anders als in der Türkei, und die EU habe in Libyen keinen Partner, um ein solches Vorgehen zu vereinbaren.

300.000 bis 350.000 Flüchtlinge sollen auf die Überfahrt nach Europa warten

Die Staats- und Regierungschefs der EU hatten vorige Woche in Malta eine engere Kooperation mit Libyen zur Eindämmung illegaler Migration beschlossen. In erster Linie soll die libysche Küstenwache dafür sorgen, dass weniger Flüchtlingsboote Richtung Europa aufbrechen. Menschenrechtsgruppen kritisieren, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Libyen internationalen Standards nicht entspreche. Das Land versinkt seit dem Sturz des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi 2011 im Chaos.

Das Land wird trotz einer im vergangenen Jahr gebildeten Einheitsregierung in weiten Teilen von bewaffneten Milizen kontrolliert. Hilfsorganisationen sehen Flüchtlinge schwersten Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt. Die EU sieht sich in der Libyen-Frage aber massiv unter Druck: Nach Schätzungen gibt es derzeit 300.000 bis 350.000 Flüchtlinge in Libyen, die auf die Überfahrt nach Europa warten.