taz.meinland – ein Elitenprojekt?: Phantomrepublik Deutschland

Die taz ist bis zur Bundestagswahl mit einem besonderen Anliegen unterwegs: „taz on Tour für die offene Gesellschaft“.

An einer Betonwand vor einer Wiesenlandschaft steht der Schriftzug "Merkel muss weg"

Unmut mit der Politik – auch auf Rügen Foto: dpa

So viel wissen wir schon: Es ist von Vorteil für eine Zeitung, die Berliner Redaktionsschreibtische zu verlassen, um mit besorgten oder kämpferischen Menschen an ihren Orten zu sprechen. Wir waren in Saßnitz, in Güstrow, Schleife und Rühn – und überall, ob im Norden des Landes oder im Süden, gab und gibt es unübersehbare Sympathien für eine rechtspopulistische Partei wie die AfD. Aber sie gerinnen nicht zu einer Position der echten Macht. Nur was diese Minderheit von der schweigenden Mehrheit unterscheidet, ist, dass sie schrill und giftig spricht. Hass ist ihr Geschäft.

Wir werden quer durch die Bundesrepublik reisen und Orte besuchen – mehr als 30 Vorschläge für Veranstaltungen haben wir schon erhalten und kümmern uns nun mit dem taz.meinland-Team um alles Nähere. Allen Ideen ist gemeinsam, dass dieses Land friedlich bleiben soll – und dem Gift der Populisten nicht ausgeliefert wird. Wir wollten und wollen wissen, was denn schiefläuft in unserer Republik: Ist das, was die AfD in die öffentliche Arena trägt, zu vernachlässigen? Oder nimmt sie auch auf, was viel mehr Bürger*innen bekümmert?

Wir haben begreifen können, dass die Nervosität, die in diesem Land mehr oder weniger zu spüren ist, viel mit politischen Fahrlässigkeiten zu tun hat. Warum gibt es in vielen Dörfern keine Postämter mehr, Einkaufsläden oder Kioske? Andererseits: Sind es nicht die Bürger*innen selbst, die durch ihr Konsumverhalten beitragen, dass es die dörflichen oder gemeindlichen Kerne mit Läden und kommunalen Einrichtungen nicht mehr gibt – weil alle sich an ihren nächsten Städten orientieren? Auf Rügen beispielsweise will alle Welt dort Schnellstraßenanschlüsse bis zum Ostseestrand – und beklagt gleichzeitig die Verpflasterung der Landschaft. Der vielerorts mächtige Unmut, ließe sich böse formulieren, weiß selbst, was er will.

Die offene Gesellschaft – sie ist eben kein Elitenprojekt, kein Ding, das nur für Leute nützlich ist, die gern und viel und möglichst grenzenlos reisen, auf ihr polyglottes Bewusstsein und mit dem „Trash“ – wie in den USA die Wähler des nun amtierenden Präsidenten Donald Trump – nichts zu tun haben wollen, weil die Proleten eh nur politisches rechtes Zeug im Kopf haben.

Wir wollen die „Gesellschaft der vielen Verängstigten“ kennenlernen – und dies in lokaler Dimension

Das ist ein politisch verheerendes Ressentiment. Die rechtspopulistischen Ströme speisen sich en gros wie en détail aus dem, was man als rasendes Kleinbürgertum begreifen kann. Diktatorischen oder antidemokratischen Haltungen sprechen Menschen zu, die meist über bessere Ausbildungen verfügen als jene, die als „White Trash“ missachtet werden. Der Trucker, der nicht ertragen will, dass sein Kind mit seiner Exfrau in einem Haus lebt, wo im Garten die Reichskrie­gsflagge aufgezogen wird; die Supermarktkassiererin und ihr Mann, ein Maurer, die darauf achten, dass ihre Kinder allen Nachbarn mit Respekt begegnen; die Fabrikarbeiterin, die nur mühselig über die Runden kommt und sich doch im Quartiersmanagement engagiert, damit ihr Viertel weiter mit guten Nachbarschaften leben kann. Sie wollen keine Republik nach Muster der AfD – dabei wissen sie nicht einmal, dass sie, in den Worten eines Politikers dieser Partei, in einer links-rot-grün versifften Republik leben: Sie tun es einfach.

Im eigenen Saft schmoren tut nicht gut

Der Soziologe Heinz Bude hat 2014 mit dem Buch „Gesellschaft der Angst“ als erster Intellektueller die kulturell-politischen Erschütterungen in der Bundesrepublik heutiger Tage zu einer These verdichtet: Die politisch etablierten Parteien sollen nicht so tun, so Bude, als gäbe es keine Gründe, Angst vor der Zukunft zu haben. Die (noch?) großen Parteien wie CDU/CSU und SPD sollten besser werden darin, diese verbreitete Furcht vor Globalisierung und ökonomischer Unsicherheit ernst zu nehmen – und sie nicht herunterzuspielen.

Wir wollen diese „Gesellschaft der vielen Verängstigten“ kennenlernen – und dies in lokaler Dimension. Könnte nämlich sein, dass das, was als „Dunkeldeutschland“ bekannt ist, die früheren DDR-Gebiete außerhalb der Metropolen wie Leipzig, gar nicht so dunkel ist – sondern dort genauso Gemeinden zu finden sind, in denen rechte Weltanschauungen wenig populär sind.

Was ist taz.meinland? Bis zur Bundestagswahl im September reist die taz durch meinland, deinland, unserland. An gut 50 Stationen machen wir Halt, um ins Gespräch zu kommen und für die offene Gesellschaft zu streiten.

Unsere Tour durch die Bundesrepublik, die Veranstaltungsreihe taz.meinland, geht davon aus, dass die demokratischen und multikulturell orientierten Kräfte in der Mehrheit sind – wir wollen ermitteln, was jenseits der Rechtspopulisten an Gesprächen, an Dialogen und Streitdebatten möglich ist. Und zwar mit Menschen, die nicht in erster Linie zur taz-Community zählen, sondern ihr durchaus fern und fremd gegenüberstehen.

Im eigenen Saft zu schmoren, das wussten schon die Urgründer dieser Zeitung, tut weder dem Schmorvorgang gut noch dieser Zeitung. In der taz und auf taz.de aber wollen wir über all die möglichen Gespräche, Dialoge und Streitdebatten berichten. Denn das Zerrbild, dass die schrille, giftige Minderheit die Bevölkerung vertritt, dient den Rechtspopulisten und nur ihnen.

Wir sind auf Ihre Ideen weiter gespannt. Auf dass Sie uns „zumuten“, Ihren Ort für eine muntere Debatte zu besuchen – zu jeder politischen und kulturellen Frage, die Ihnen wichtig ist: zu Rechtspopulistischem, zu Ökologischem, zu Gesellschaftlichem oder Kulturellem. Und gern auch zu unseren Neubürger*innen, die als Flüchtlinge kamen und hart an ihrem neuen guten Leben in Deutschland arbeiten.

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