Gedenken an Pearl Harbor: Der Mythos wird zum Politikum

Erstmals gedenken Japans Premier Abe und US-Präsident Obama gemeinsam des Angriffs im Jahre 1941. Das passiert auch wegen Trump.

Schwarz-Weiß-Aufnahme vom Luftangriff auf Pearl Harbor

Mit Japans Luftangriff auf den US-Marinestützpunkt Pearl Harbor in Hawaii am 7. Dezember 1941 begann auch in Ostasien der Zweite Weltkrieg Foto: dpa

TOKIO taz | Schon vor dem Gedenken in Pearl Harbor am Dienstag wird in Japan um die Bedeutung der Geste gerungen. Der Auftritt von Regierungschef Shinzo Abe wurde zunächst als Antwort auf den Hiroshima-Besuch von Präsident Barack Obama im August interpretiert. Obama war der erste amtierende US-Präsident am Schauplatz der ersten US-Atombombe. Abe ist der erste japanische Regierungschef, der in Pearl Harbor des japanischen Angriffs offiziell gedenkt. Doch die Regierung in Tokio verneint eine Verbindung. Vielmehr bewiesen die Besuche die Versöhnung zwischen den einstigen Kriegsgegnern. „Japan will zeigen, dass es die Vergangenheit bewältigt hat“, erklärt Ippeita Nishida von der Sasakawa-Friedensstiftung.

Beide Seiten halten eine Gleichstellung der Ereignisse für problematisch. US-Nationalisten argumentieren, die Atombombe auf Hiroshima wäre nie abgeworfen worden, hätte Japan nicht Pearl Harbor angegriffen. Danach erklärten die USA Japan den Krieg. Umgekehrt sagen japanische Nationalisten, die Atombombe mit weit über 100.000 toten Zivilisten sei eine unverhältnismäßige Vergeltung für die 2.000 toten US-Soldaten auf Pearl Harbor.

Um 7.48 Uhr am Morgen des 7. Dezember 1941 bombardierten 353 japanische Kampfflugzeuge die Luftstützpunkte der USA auf der Insel. „Pearl Harbor war als unprovozierter Angriff auf die USA ein Kriegsauslöser, während Hiroshima der letzte Akt eines vierjährigen Krieges war“, betont der Japan-Experte Michael Auslin vom American Enterprise Institute. Vor diesem Hintergrund hatte Obama im August Überlebende der Hiroshima-Bombe getroffen, aber sich nicht entschuldigt. Auch Abe will nur der Opfer gedenken und seinen „Willen zeigen, dass sich die Tragödie eines Krieges nie mehr wiederholt“. Der nationalistische Politiker hatte bei seinen Reden zum 70. Jahrestag des Kriegsendes jede Entschuldigung vermieden.

Abe soll sich erst nach der Wahl von Donald Trump zum neuen US-Präsidenten zu dem Gedenken entschieden haben. Trump gilt als Japan-Kritiker und hatte Obama im Wahlkampf vorgeworfen, bei seinem Hiroshima-Besuch im August zu Pearl Harbor geschwiegen zu haben. „Mit der Geste in Pearl Harbor beabsichtigt Abe, das japanische Bündnis mit den USA zu stärken, bevor Trump sein Amt antritt“, erklärte der Historiker Nobuko Kosuge von der Yamanashi-Gakuin-Universität. Der Japan-Experte Auslin spricht vom „letzten Dämon der Vergangenheit“ für beide Seiten. Nach dem Gedenken könne Trump eine kooperative Beziehung zu Japan verfolgen, meinte Auslin.

Doch Abe geht mit dem Auftritt in Pearl Harbor ein politisches Risiko ein. Zwar kann er bei der Gedenkzeremonie mit Obama das Publikum zu Hause beeindrucken. Aber sein Auftritt als friedensliebender Nationalist an einem Ort der japanischen Aggression sei nicht ohne Ironie, merkte die japanische Historikerin Eri Hotta an, da Abe die Pazifismus-Klausel der Verfassung aufweichen und die Rolle von Japans Militär normalisieren wolle. Zudem rühre der Angriff auf Pearl Harbor an Japans Verantwortung für den Pazifikkrieg. Genau darüber wolle Abe jedoch nicht mehr reden.

Das rechtsnationale Umfeld von Abe rechtfertigt den Angriff mit dem Öl-Embargo durch die USA. Dennoch war die Entscheidung für den Angriff auf Pearl Harbor nach Meinung von Hotta „unverantwortlich“, weil Japan nach vier Jahren Eroberungen in China und Südostasien gar nicht mehr in der Lage war, noch einen Krieg zu führen. „Japans Führer zwangen ihr Land mit dem Mute eines verrückten Spielers in einen undenkbaren und zerstörerischen Krieg“, so Hotta.

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