Schweigen im Thüringer Wald

Daily Dope (723) Beim Weltcup in Oberhof positionieren sich deutsche Ski-Funktionäre gegen Doping. Zur Einstellung des belasteten Ulrich Wehling im Thüringer Verband mag sich aber keiner äußern

Umstritten: U. Wehling Foto: imago

OBERHOF taz | Der ansonsten recht farblos daherkommende Präsident des Deutschen Skiverbandes, Franz Steinle, fand in Oberhof beim Biathlon-Weltcup bei einer Pressekonferenz markige Worte zum Staatsdoping in Russland. Er rechne noch vor der Biathlon-WM im Februar in Hochfilzen (Österreich) mit weiteren Ergebnissen bei der Aufarbeitung dieses Skandalthemas: „Das kann man nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschieben“, mahnte er an.

Die Skandal-Personalie Ulrich Wehling, der seit 1. Dezember 2016 der neue Geschäftsführer des Thüringer Skiverbandes ist und einst als Vizegeneralsekretär des DDR-Skiläuferverbandes Repressionen gegen Trainer und Sportler mittrug, die sich weigerten, Dopingmittel zu verabreichen bzw. einzunehmen, kümmert den DSV-Chef allerdings nicht. Steinle sagte in Oberhof: „Dazu werde ich mich nicht äußern.“

Der Thüringer Verband hatte die Einstellung des Sportlehrers und dreifachen Olympiasiegers in der Nordischen Kombination, Wehling, mit seinen fachlichen Qualitäten verteidigt. Ebenso der Landessportbund Thüringen, dessen Hauptgeschäftsführer Rolf Beilschmidt in der DDR Chef des dopingverseuchten Sportclubs Motor Jena war und Wehling seit Langem gut kennt.

Die Haltung von DSV-Chef Steinle zum Fall Wehling ist auch insofern pikant, da Steinle zudem seit vielen Jahren schon als DSV-Vertreter, Mitglied in der Rechtskommission der Nationalen Anti-Doping-Agentur ist.

Bereits vor 25 Jahren hatte der einstige DDR-Skilanglauftrainer Henner Misersky auf den hochbelasteten Funktionär Wehling hingewiesen, den der DSV nach dem Mauerfall als Beauftragten für den Skisport Ostdeutschlands eingestellt hatte. Wehling war laut dem Zeitzeugen Misersky „1985 bei einem Tribunal in Oberhof zum neuen Verbandskonzept beteiligt, wo der Einsatz von Anabolika im Skilanglauf bereits bei Minderjährigen, ab Altersklasse 16 beschlossen wurde. Wehling übte direkt Druck auf mich aus. Ich weigerte mich, das Dopingkonzept mitzutragen, und wurde kurze Zeit später per Telefonanruf vom DDR-Vize-Sportchef Thomas Köhler fristlos entlassen.“

Aufgrund der Schwere der Vorwürfe war Wehling 1992 im DSV nicht mehr zu halten, wie der einstige DSV-Sportdirektor Helmut Weinbuch vor Jahren einräumte. Wehling ging dann zum Weltskiverband FIS in die Schweiz, wo er bis 2012 als Renndirektor für die Nordische Kombination tätig war.

„Wenn die Thüringer Sportwelt glaubt, sie müssten einen solchen Kriminellen an der Spitze haben, dann lieben sie die Kriminalität“

Dopingexperte Werner Franke

Misersky findet die Haltung des deutschen Sports zum Fall Wehling unerträglich: „Die ducken sich feige weg und wollen nicht mit der Vergangenheit konfrontiert werden. Sie haben ja immer wieder belastete Leute selber installiert.“ Wehling hatte die Dopingvorwürfe stets abgestritten. Am Wochenende in Oberhof bekräftigte er noch einmal knapp: „Ich war am DDR-Doping nicht beteiligt.“

Für den Doping-Aufklärer Werner Franke steht Wehling „als ein Symbol für DDR-Wintersportdoping“, schlimmer gehe es ja kaum. „Da Wehling nun in Thüringen installiert wurde und weiterhin die Unwahrheit äußert, sage ich ganz klar: Das DDR-Doping ist ein Verbrechen, das hat der Bundesgerichtshof im Berufungsverfahren von Sportchef Manfred Ewald so entschieden. Wenn die Thüringer Sportwelt glaubt, sie müssten einen solchen Kriminellen an der Spitze haben, um Medaillen zu holen, dann lieben sie die Kriminalität, nämlich ihre eigene. Wenn der DOSB dabei zuschaut, gilt dies auch für diesen.“ Thomas Purschke