Anschlag in Berlin

Lange schon war ein islamistischer Anschlag in Berlin befürchtet worden. Die Bluttat vom Breitscheidplatz hat die Stadt getroffen. Die Menschen sind geschockt, doch sie bleiben gefasst. „Nachgeben will ich nicht“, sagt eine Verkäuferin vom Weihnachtsmarkt

Erstes Opfer ein Pole

Polen Der Lkw gehört einer Spedition aus Gryfino bei Stettin

WARSCHAU/BERLIN taz | „Ich wünschte, dass sie meinen Fahrer irgendwo eingesperrt hätten und ihm nichts angetan hätten.“ Ariel Żurawskis Stimme ist brüchig, als er dem polnischen Fernsehsender Polsat ein Interview gibt. Noch am Abend hatte der Inhaber der Spedition Żurawski-Transporte aus Gryfino südlich von Stettin seinen Lkw auf den Fernsehbildern vom Berliner Breitscheidplatz entdeckt. Dann sagt Żurawski: „Er ist mein Cousin.“

Am nächsten Morgen identifiziert Żurawski seinen 37 Jahre alten Cousin Łukasz: „Er fuhr 15 Jahre lang durch ganz Europa. Jetzt hinterlässt er Frau und einen 17-jährigen Sohn.“ Den Verletzungen nach zu urteilen, muss der Fahrer mit dem Lkw-Kidnapper gekämpft haben. Auf einem Foto ist das Gesicht des Fahrers zu sehen: stark angeschwollen, voll blauer Flecke und blutverkrustet. Später teilt die Berliner Polizei mit, dass der Fahrer auch Stichwunden davongetragen habe, sein Tod aber durch Schüsse herbeigeführt worden sei.

Ariel Żurawski hat seine Firma 2005 gegründet. Begonnen hat er mit einem Transporter, heute bedient die Firma Kunden aus Deutschland, Italien und Skandinavien. Am Montag war der Fahrer des Lkw mit einem Danziger Kennzeichen mit einer 25 Tonnen schweren Stahlkonstruktion unterwegs von Italien nach Deutschland. Der Firmeneigentümer erklärte, dass er den letzten Kontakt um 12 Uhr gehabt habe. „Er sagte mir, dass die Deutschen ihn heute nicht mehr entladen würden. Es hieß, er müsse bis zum nächsten Morgen um 8 Uhr warten.“

Zu diesem Zeitpunkt parkte der dunkle Scania offenbar vor einer Berliner Firma am Friedrich-Krause-Ufer. Die Gegend kam dem Fahrer nicht ganz geheuer vor, erzählt Spediteur Żurawski, der auch mit der Frau des toten Lkw-Fahrers gesprochen hat. „Sie hat ihn versucht anzurufen. Aber ab 16 Uhr ging er nicht mehr ans Telefon.“

Unterdessen gab die Firma in Gryfino bekannt, was die Auswertung der GPS-Daten ergeben habe. „Um 15.44 Uhr hat jemand versucht, den Lkw zu starten“, sagte Łukasz Wąsik, ein leitender Angestellter der Firma. Der zweite Versuch, den Lkw in Bewegung zu setzen, erfolgte um 16.52. „Anschließend lief der Motor bis 17.37 Uhr. In dieser Zeit hat sich das Fahrzeug nicht bewegt“, so Wąsik. Um 19.34 habe sich das Fahrzeug schließlich in Bewegung gesetzt.

„Das waren keine Starts, um den Motor warmlaufen zu lassen“, fügte Wąsik hinzu. Eher habe es so ausgesehen, als ob jemand versucht habe, mit dem Lkw fahren zu lernen – und Probleme dabei hatte, ihn in Bewegung zu setzen.

Laut Wąsik war der Fahrer die Zuverlässigkeit in Person. „Nie gab es mit ihm Probleme.“ Auch Firmeninhaber Żurawski verbürgte sich für seinen Cousin. „Ich lege meine Hand für ihn ins Feuer.“

Gabriele Lesser,
Uwe Rada