Kölner Polizeieinsatz an Silvester: „Dumm“, „bescheuert“ und „perfide“

Grünen-Chefin Simone Peter hat Zweifel am Vorgehen der Polizei in Köln geäußert – und sorgt für breite Empörung. Auch in den eigenen Reihen.

Özdemir und Peter

Schwer unter Druck: Grünen-Bundesvorsitzende Simone Peter Foto: dpa

Berlin taz | Es war ein kurzes Aufflackern bürgerrechtlicher Skrupel, welches wutenbrannte Reaktionen auslöste. Dabei hatte es die grüne Bundesvorsitzende Simone Peter nur gewagt, vorsichtig Zweifel an der Polizeistrategie in der Silvesternacht in Köln zu formulieren.

„Das Großaufgebot der Polizei in Köln und anderen Städten hat Gewalt und Übergriffe in der vergangenen Silvesternacht deutlich begrenzt“, hatte Peter am Montagvormittag der Rheinischen Post gesagt. „Allerdings stellt sich die Frage nach der Verhältnis- und Rechtmäßigkeit, wenn insgesamt knapp 1.000 Personen allein aufgrund ihres Aussehens überprüft und teilweise festgesetzt wurden.“ Klingt eigentlich nach einer durchaus berechtigten Frage, die sich beispielsweise auch Amnesty International stellt. Dennoch sorgte sie für Empörung.

Dass PolizeigewerkschafterInnen ebenso über Peters herfielen wie PolitikerInnen von Union, SPD und AfD war dabei wenig überraschend. Auch die Bild-Zeitung ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, Peter mit der Schlagzeile „Dumm, dümmer, Grüfri“ („Grüfri“ steht für „Grün-fundamentalistisch-realitätsfremde Intensivschwätzerin“) zu beschimpfen.

Selbst die Kritik des Grünen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer an Peter war vorhersehbar. Aber die breite Phalanx, mit der grüne SpitzenpolitikerInnen auf Distanz gingen und überschwänglich den Polizeieinsatz lobten – von Bundestagsfraktionschefin Katrin Göring-Eckardt bis zu Peters Co-Vorsitzenden Cem Özdemir – war dann doch ungewöhnlich für eine Partei, bei der es in früheren Jahren zum guten Ton gehört hatte, Polizeieinsätze stets kritisch zu hinterfragen.

Die Äußerungen Peters seien „ehrabschneidend und perfide“, echauffierte sich gar Kölns grüner Bezirksbürgermeister Andreas Hupke. Am heftigsten äußerste sich der stellvertretende Vorsitzende der grünen Landtagsfraktion in NRW: „Selten so was Bescheuertes von einer Bundesvorsitzenden gehört“, ätzte Stefan Engstfeld auf Facebook. „Einfach dummes Zeug …“

Niemand von der Parteiprominenz sprang Peters bei – selbst Volker Beck nicht, sonst eine Institution in Sachen Grund- und Freiheitsrechte. Wie alle anderen lobte der Kölner Bundestagsabgeordnete die Polizei für ihren „erfolgreichen Einsatz“ – und verkniff sich jeden kritischen Ton. Schließlich habe ihm Kölns Polizeipräsident Jürgen Mathies versichert, „dass die Kontrollen grundsätzlich anlass- und verhaltensbezogen waren und nicht einfach an Äußerlichkeiten anknüpften“.

Konfrontiert mit Schilderungen von JournalistInnen vor Ort, darunter auch der des taz-Korrespondenten, nach der diese Aussage nicht dem tatsächlichen Geschehen entspricht und junge Männer sehr wohl einzig aufgrund ihrer Hautfarbe selektiert wurden, antwortete Beck der taz: „Ich war nicht dabei.“ Sein Bewertungsmaßstab sei zwar klar „kein Racial Profiling“ – aber für eine genaue Beurteilung der Vorwürfe in der Presse fehle ihm gegenwärtig die Grundlage. „Deshalb setze ich darauf, dass solche Widersprüche im Polizeibeirat erörtert und geklärt werden können“, so Beck.

Kölner Grüne danken der Polizei

„Das Vorgehen war der Situation angemessen“

Auch die Kölner Grünen verweisen auf den städtischen Polizeibeirat. Dort würden sie „der von einigen Medien vorgebrachten Kritik nachgehen, wonach die Polizei gezielt Menschen nach ihrer Hautfarbe kontrolliert habe“. Die Polizei exkulpierten sie gleichwohl schon vorab: „Das Vorgehen der Polizei und der städtischen Ordnungskräfte war der Situation angemessen. Für ihren Einsatz gebührt ihnen unser aller Dank.“

Am Montagabend war schließlich auch Simone Peter wieder auf Linie gebracht. Auf Facebook veröffentlichte sie eine leicht paraphrasierte Version der offiziellen Dankeserklärung des grünen Bundesvorstandes: „Klar ist, dass die Polizei umsichtig gehandelt hat, wenn sie schnell und konsequent verabredete Gruppen an erneuten Gewaltausbrüchen gehindert hat.“ Zweifel enthielt diese Stellungnahme nicht mehr.

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