Berliner Szenen
: Beim Frühstück

Schwör auf Koran

Ich meine, Quatsch kann ich auch erzählen

Manchmal fängt ein Tag gut an. Ich schneide gerade ein Brot ab, um nach den genauen Anweisungen Fups die eine Hälfte mit Marmelade und die andere Hälfte mit Honig zu bestreichen, aber nicht in der Mitte durchzuschneiden, da fliegt eine Unterhose in die Küche. Hinterher fliegt aufsässiges Gemecker. Ich sehe auf den Wecker, denn mich beschleicht das Gefühl, dass wir uns beeilen müssen, um nicht zu spät in die Schule zu kommen, aber der Wecker ist weg. Mein Blick streift durch die Küche. Er ist nirgends zu sehen.

Nach dem Honig-Marmeladen-Brot will Fup Schokocrispies, an denen angeblich nur ganz wenig Schokolade ist – deshalb ein ideales Nahrungsergänzungsmittel für Fup – und die etwas Abwechslung in die Halb-Marmelade-halb-Honig-Brot-Routine bringen. Aber statt der Crispies, die ich aus dem Karton in eine Schüssel zu schütten versuche, purzelt der Wecker heraus. „Hey, was machst du denn für einen Scheiß?“, will ich wissen. „Das war ich nicht“, sagt Fup. „Und wer soll den Wecker bitte schön da sonst reingetan haben?“, frage ich unerbittlich. „Der liebe Gott vielleicht?“ – „Ich war’s nicht“, beharrt Fup, „isch schwör auf Koran!“ – „Wie bitte?“ „Isch schwör auf Koran. Ich war’s nicht.“ – „Wer hat das gesagt?“, will ich wissen. „Amar“, sagt Fup. „Na toll“, sage ich, „sag Amar, dass, wer auf den Koran schwört, der lügt. Und zwar sowas von!“ – „Echt?“, fragt Fup etwas verunsichert. „Ja, echt. Ich weiß das von meiner Mutter.“

Ich meine, Quatsch kann ich auch erzählen. Ziemlich viel sogar, wenn es sein muss. Wir müssen los. Beim Packen des Schulranzens fällt mir eine Strichzeichnung von Fup in die Hände, ein Bus mit mindestens zwanzig Rädern. „Warum sind da so viele Räder dran?“, frage ich. „Na, siehst du das nicht? Das ist ein Naturbus!“ – „Ein Naturbus? Was soll das denn sein?“ Aber Fup antwortet nicht mehr.

Klaus Bittermann