20.000 Euro Rente pro Arbeitstag

PENSIONEN In Niedersachsen werden Bürgermeister und Landräte nach dem Ausscheiden aus dem Amt bis zum Lebensende üppig alimentiert. Innenministerium und kommunale Spitzenverbände argumentieren mit der Konkurrenz zur Wirtschaft

VON MARCO CARINI

Vierzehn Tage war Jutta Bott im Amt. Dann, nach zwei Wochen, wurde die damals 46-Jährige vom Osnabrücker Stadtrat als Stadtkämmerin wieder abgewählt. Eingeholt hatte Bott der Vorwurf, sie habe als Leiterin des Kasseler Revisonsamts eine ihrer Sekretärinnen eingespannt, um die eigene Doktorarbeit voranzubringen.

Auf ihre kurze Karriere in Osnabrück allerdings schaut Bott noch heute gern zurück: Da sie nicht freiwillig ging, bescherte ihr die Stippvisite ein garantiertes, fünfjähriges Ruhegeld von 5.220 Euro monatlich – für den Fall das sie keine neue Arbeit fände oder einfach mal ausspannen wolle. Insgesamt 313.000 Euro Versorgungsansprüche standen Bott von der Stadt Osnabrück für die ersten fünf Jahre nach ihrer Demission zu: mehr als 20.000 Euro pro Arbeitstag.

Doch auch nach Ablauf der Fünfjahresfrist wird Bott nicht allzu hart fallen: Eine Pension von 2.450 Euro im Monat steht der dann 51-Jährigen aufgrund ihres kurzen Osnabrücker Gastspiels ab kommendem Jahr zu.

Die Entlassung der Kämmerin ist zwar schon vier Jahre her, doch der „Fall Bott“ taucht immer dann als besonders abs­truses Beispiel auf, wenn es um die üppigen Versorgungszahlen und Pensionen in Niedersachsen geht. „Wenn man nur wenige Tage als Bürgermeister oder Stadtkämmerer im Amt war und dann schon mit 30 oder 40 eine Pension bis ans Lebensende kassieren darf, ist es kein Wunder, dass die Bürger nicht mehr zur Wahl gehen, weil sie die Nase voll haben“, klagt der Präsident des Bundes der Steuerzahler (BdST), Reiner Holznagel.

Der haushaltspolitische Sprecher der niedersächsischen FDP-Landtagsfraktion, Christian Grascha, stößt ins gleiche Horn: „Dass Bürgermeister und Landräte bereits nach kurzer Arbeitszeit unabhängig vom Lebensalter eine lebenslange Sofortrente genießen, ist eine aus der Zeit gefallene Regelung und den Steuerzahlern nicht erklärbar.“

Was nach den Worten des niedersächsischen Vorsitzenden des BdST, Bernhard Zentgraf, „wie ein Lottogewinn klingt“, ist niedersächsisches Beamten- und Versorgungsrecht. Vor allem Bürgermeister, Landräte und Dezernenten erhalten nach ihrem Ausscheiden üppige Ruhegelder und – unabhängig von Alter und Anschlussbeschäftigung – opulente lebenslange Pensionen.

Bereits nach einer Amtszeit hat ein ehemaliger kommunaler Wahlbeamter Anspruch auf ein Ruhegehalt von mindestens 35 Prozent seines regulären Gehalts. Niedersachsen gilt gegenüber seinen Wahlbeamten als besonders spendabel. Das Land verteilt neben Thüringen, Hessen und dem Saarland am schnellsten großzügige Versorgungsleistungen an sein ehemaliges kommunales Spitzenpersonal.

Das Problem ist lange bekannt und hat sich in den vergangenen Jahren noch verschärft. Eine neue Besoldungsverordnung hat 2014 die Gehälter von Bürgermeistern und Landräten kräftig erhöht – und damit auch ihre Pensionsansprüche. Zugleich wurden die Amtszeiten der sogenannten Hauptverwaltungsbeamten bis 2021 Schritt für Schritt von bislang acht auf fünf Jahre verkürzt und damit der Zeitraum, nachdem Sofortpensionen und Ruhegelder fällig werden. Immer früher winkt somit ausscheidenden Bürgermeistern und Landräten, Dezernenten und Regionspräsidenten immer mehr Geld aus den Versorgungskassen.

Das niedersächsische Innenministerium verteidigt die Altersversorgung als notwendig, um überhaupt qualifizierte Führungskräfte für die Kommunen zu finden. Daher werde man an den Regeln festhalten. Auch die Arbeitsgemeinschaft der kommunalen Spitzenverbände Niedersachsens hält „die derzeit bestehenden Regelungen zur Altersversorgung für angemessen“, um einen „gewissen Anreiz“ zu schaffen, da „die Wirtschaft Personen in vergleichbaren Führungspositionen weit höhere Gehälter zahlt“.

EDV-seitig nicht auswertbar

Was diese Praxis für den Steuerzahler bedeutet, kann die Landesregierung nicht sagen. So verfügt die Niedersächsische Versorgungskasse, die die Gelder ausschüttet, über keine Erkenntnisse, was die Ex-Wahlbeamten kosten. Das werde nicht gesondert erfasst und sei daher „EDV-seitig nicht auswertbar“.

Nun stellte die Niedersächsische FDP eine Kleine Anfrage an die Landesregierung, um Licht ins Dunkel zu bringen. Die Liberalen wollen wissen, „wie viele Personen derzeit in niedersächsischen Versorgungskassen als Wahlbeamte im Ruhestand versorgt“ werden und wie hoch die Zahlungen an ehemalige kommunale Wahlbeamte insgesamt sind.

FDP-Haushaltsexperte Grascha fordert eine Reform, die es in Zukunft nicht mehr möglich macht, „die betroffenen Personen bereits ab dem mittleren Alter ein Leben lang zu alimentieren“. Sein Vorschlag: „Ein zeitlich begrenztes Übergangsgeld muss reichen, um sich beruflich nach Ende der Amtszeit wieder neu zu orientieren.“