Freundund Feind genervt

Belagerung Die größte Nervenprobe war die Zeit des Wartens darauf, dass der OSZE-Gipfel endlich anfing

„Papa, hoffentlich ist nicht heute schon OSZE-Gipfel“, sagt meine Tochter, „dann kann ich ja gar nicht zur Schule gehen!“ Mal abgesehen davon, dass sie komplizierte Worte ziemlich unfallfrei aussprechen können – unter den Grundschülern kursieren in diesen Zeiten schon skurrile Gerüchte.

Einer will Tage vor dem Gipfel sogar einen Scharfschützen auf einem Dach im Karoviertel gesehen haben. „Papa, darf ich am Donnerstag bei meiner Freundin schlafen?“ Aber das ist doch mitten in der Woche! „Ja, wegen OSZE! Da komm ich doch sonst gar nicht nach Hause!“

Die Stimmung rund ums Hamburger Messegelände hat sich ein bisschen hochgeschaukelt. Tagelang ist der Polizeihubschrauber über dem Viertel gekreist. Die Polizei ist mit Mannschaftswagen um die Ecken gekachelt, als wär schon was los; immer in Kolonnenformation, meist mit Blaulicht, oft mit Martinshorn. Zielsicher haben sie an allen wichtigen Kreuzungen immer genau den Fahrradweg mit einem Streifenwagen zugeparkt.

Vor der Haustür ist der Fußweg mit zwei Polizei-Kleinbussen so zugestellt, dass man sich nur noch durchschlängeln kann. Der Motor läuft immerzu. Die Polizisten müssen entsetzlich frieren. Am Abend macht ein Proviantwagen die Lücke zwischen ihnen auch noch zu. Es gibt Schokoriegel bis zum Abwinken. So langsam könnte man fast Lust auf einen kleinen Krawall bekommen.

Und dann der Donnerstagmorgen: Was für eine Enttäuschung! Der OSZE-Gipfel beginnt, und es ist weniger Polizei zu sehen als bei einem Heimspiel des FC St. Pauli. Och nö, so haben wir nun auch nicht gewettet. An den Kontrollpunkten bitten Beamte mit ausgesuchter Höflichkeit, ob sie mal eben schnell ins Auto leuchten dürfen. Anwohner wedeln schon von Weitem stolz mit ihrem Personalausweis.

Abends dann ein Anruf: „Papa, ich hab geweint. Wegen den Bullen. Die sind so laut.“ Aha, also doch. „Dann ist einer von denen zu mir gekommen.“ Was wollte der Kerl? „Er hat gesagt: ,Ich bin auch total genervt.‘“Jean Lepère