Festival trotz Notstand

Fotografie Zum vierten Mal verwandelt sich Äthiopiens Hauptstadt Addis Abeba ins fotografische Epizentrum Ostafrikas

Preisgekrönt: die Serie „Stranger in a Familiar Land“ der ugandischen Fotografin Sarah Waiswa Foto: AFF

von Florian Sturm

Instagram und Pinterest. Werbetafeln und Urlaubserinnerungen. Fernseher und Smartphone. Die Welt, in der wir leben, lebt von Bildern. Doch während Europa von Fotofestivals überbordet, sind vergleichbare Veranstaltungen in Afrika noch immer Mangelware. Heute beginnt in Addis Abeba eines der bedeutendsten, das Addis Foto Fest (AFF). Sechs Tage lang ist die äthiopische Hauptstadt Schauplatz für Ausstellungen, Diskussionen und Werkbesprechungen.

Kopf und Herz hinter dem einzigen internationalen Fotofestival Ostafrikas ist die preisgekrönte äthiopische Künstlerin Aida Muluneh. Sie rief die Biennale 2010 ins Leben: „Unser Hauptanliegen ist es, weltweiten Austausch von Bildern zu fördern, um somit ein besseres Verständnis von Fotografie in und aus Afrika anzustoßen.“

Die Idee zum AFF kam Muluneh 2007 in Malis Hauptstadt Bamako. Während einer Preisverleihung traf sie dort die verschiedensten Fotografen aus ganz Afrika. Alle waren sich einig, dass ihr Kontinent und seine Bewohner außerhalb der eigenen Landesgrenzen fast ausschließlich in Zusammenhang mit der typischen K-Berichterstattung gezeigt werden: Krieg, Krisen, Krankheiten oder Katastrophen. Das AFF sieht Muluneh als Plattform, um diese eindimensionale Sichtweise durch ein authentischeres Bild zu erweitern und obendrein afrikanischen Fotografen den Zugang zum internationalen Markt zu erleichtern.

Eine der auf dem AFF ausstellenden Künstler ist diesem Ziel seit vergangenem Sommer bereits einen großen Schritt näher gekommen: Sarah Waiswa. Im Juli schrieb die Uganderin Geschichte: Als erste Fotografin aus Subsahara-Afrika wurde sie mit einem der bedeutendsten Preise der europäischen Fotoszene ausgezeichnet. Für ihre Bilderserie „Stranger in a Familiar Land“, in der sie die soziale Ächtung von Menschen mit Albinismus anprangert, erhielt sie den Discovery Award des renommierten französischen Festivals Rencontres d’Arles. Seither erhalte sie vermehrt auch internationale Anfragen, erzählt sie.

Getreu einem der Hauptziele beim AFF hat es sich auch Waiswa zur Aufgabe gemacht, mit ihren Bildern das Afrikabild zu verändern. „Über Jahrhunderte wurde die Geschichte unseres Kontinents aus der Perspektive von Fremden erzählt und oft wird Afrika ausschließlich in negativem Kontext gezeigt“, beklagt Waiswa.

Während des sechstägigen Festivals bekommen die Besucher neben den Ausstellungen täglich verschiedene Events geboten. Auf einer Podiumsdiskussion, der AFF Conference, diskutieren die Teilnehmer Entwicklungen und Trends des Fotomarkts in Afrika, dabei stets die Frage im Hinterkopf: Welche wirtschaftlichen und kreativen Veränderungen geschehen in der Branche weltweit und wie formen sie den afrikanischen Markt? Auf sogenannten Portfolio Reviews beurteilt eine internationale fünfköpfige Jury die Arbeiten von Fotografen. Erstmals kürt das Expertenteam auch einen Sieger aus allen Teilnehmern dieser Werkschau und vergibt den AFF Award.

Tatsächlich gehört die Biennale inzwischen zum Kreis der weltweit eta­blierten Festivals

Ursprünglich standen dem Team rund um Muluneh sechs Ausstellungsorte für das Festival zur Verfügung. „Aufgrund des landesweiten Notstands fehlen uns nun jedoch eine Galerie sowie das Italienische Kulturinstitut“, erklärt die Organisatorin. Übrig geblieben sind die Räumlichkeiten der Luxushotels Marriott und Sheraton sowie die DinQ Gallery und die LeLa Gallery.

Nach der stetig steigenden Zahl an Antiregierungsprotesten, die bislang mehrere hundert Todesopfer forderten, rief die politische Führung Äthiopiens rund um Ministerpräsident Hailemariam Desalegn Anfang Oktober den nationalen Notstand aus. Konkret bedeutet das: mindestens sechs Monate lang eingeschränkte Nutzung von Social-Media-Plattformen wie Facebook oder Twitter und Demonstrationsverbot; der Zugang zu Fabriken und Regierungsgebäude zwischen 18 und 6 Uhr sowie die öffentliche Verbreitung politischer Gesten und Botschaften sind untersagt; außerdem dürfen die unabhängigen, im Ausland ansässigen Fernsehsender Esat und OMN ihr Programm nicht mehr in Äthiopien ausstrahlen.

Nichtsdestotrotz rechnet Muluneh auch in diesem Jahr wieder mit mindestens 5.000 Besuchern – so viel wie bei den jeweils vorangegangenen Events. Tatsächlich gehört die Biennale inzwischen zum Kreis der weltweit etablierten Festivals. 134 Fotografen aus 40 Ländern werden auf dem vierten AFF ausstellen. „Bisher suchten wir Organisatoren die Künstler aus, doch diesmal haben wir einen offenen Aufruf gestartet“, so Muluneh. Mit Erfolg. Es gab Einsendungen aus jedem Kontinent und noch nie waren so viele Künstler dabei. Auch die Anzahl äthiopischer Fotografen (30) bezeichnet Muluneh als starkes Signal. Somit ist das Event nicht nur Augenschmaus für die Besucher, sondern zugleich Möglichkeit zum Netzwerken für die Fotografen untereinander. „Seit dem ersten Festival 2010 ist die Zahl der Fotografen sowohl in Äthiopien als auch im restlichen Afrika merklich gestiegen“, freut sich die Organisatorin. Und das bedeutet letztlich auch: mehr Künstler, die zukünftig für eine vielschichtige, authentische Darstellung ihrer Heimat kämpfen können.