Kreuzbergs Liebling

Abtritt Der Mann mit Fahrrad und rotem Schal verlässt den Bundestag. Nicht nur in Friedrichshain und Kreuzberg, seinem Wahlkreis für den Bundestag, finden das viele Menschen schade. Einer allerdings nicht

Locker am Lenker: Christian Ströbele beim Bad in der Menge Foto: Christian Mang

„Schade, dass er aufhört. Er ist ein netter, guter, alter Mann. Er hat in der Politik versucht, etwas zu unternehmen. Aber einer allein kann auch nichts bringen, wenn andere nicht dabei sind.“

Mehmet Kilic, Baklava-Verkäufer am Kottbusser Tor

„Ströbele wollte, dass die Radspuren vor meinem Laden breiter werden. Fand ich nicht gut, da werden doch meine Blumen angeliefert. Menschlich ist er ein Sympathischer. Er weiß auch, wovon er redet. Aber wenn er in Rente gehen will, soll er in Rente gehen, das ist jedem zu gönnen.“

Heidi Reimann, Blumenhändlerin nahe dem Ostbahnhof

„Er wird eine Lücke hinterlassen, insbesondere was seine Tätigkeiten in den Untersuchungsausschüssen und der Kontrolle des Nachrichtendienstes angeht. Aber das Leben geht weiter, auch bei den Grünen. Niemand ist unersetzbar.“

Wolfgang Wieland, Exbundestagsabgeordneter der Grünen

„Ich mochte ihn nicht. In den letzten Jahren hat er nur noch an seiner Profilierung gearbeitet und sich überhaupt nicht mehr für die Probleme in Friedrichshain-Kreuzberg interessiert.“

Kurt Wansner, CDU Abgeordneter aus Kreuzberg

„Ströbele ist ein toller Politiker. Er hat unheimlich viel Einsatz gezeigt, auch hier in Kreuzberg auf der Straße. Er hat denen eine Stimme gegeben, die sonst nicht viel zu sagen haben.“

Elke Lipp vom Bioladen Kraut und Rüben am Heinrichplatz

„Ich verstehe gut, dass er nicht noch mal in den Bundestag will, man muss irgendwann ein Ende finden und an sich selbst denken. Er ist oft hier auf dem Rad herumgefahren, er wirkt menschennah. Ströbele ist ein kämpferischer Geist.“

Sandra Jakisch, Regisseurin aus Friedrichshain

„Wir alle müssen das über Weihnachten erst mal verdauen und uns neu sortieren.“

Werner Graf, Grüner Landeschef

„Ströbele ist ein alter Fuchs. ­Früher hat er ein paar Mal bei uns Zeitungen gekauft. Ich habe leider keinen deutschen Pass, denn sonst hätte ich ihn gewählt.“

Hussein Sasmaz, Kioskinhaber auf der Warschauer Brücke

„Schade. Mit Christian Ströbele konnten sich die Kreuzberger gut identifizieren.“

Wer statt Hans-Christian Ströbele im Herbst 2017 bei der Bundestagswahl im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg antritt, wollen die Grünen offiziell erst im März klären. „Wir alle müssen das über Weihnachten erst mal verdauen und uns neu sortieren“, sagte ihr neuer Landesvorsitzender Werner Graf, zuvor Kreisvorständler in Kreuzberg. Auch die Landesliste will die Partei im März aufstellen, auf der Ströbele aber letztmals 1998 kandidierte. (sta)

Pedro Boese, arbeitet demnächst als Künstler im Bethanien

„Ströbele ist der am längsten amtierende Politiker, der sich durchgehend für die Legalisierung von Cannabis stark­gemacht hat. Er wird uns fehlen.“

Georg Wurth, Sprecher des Deutschen Hanfverbands

„Ströbele ist einer, der sagt, was er denkt, er ist geradeaus.“

André Dersinske, Leiter des Cafés Sibylle an der Karl-Marx-Allee

„Ein sehr Guter verlässt die politische Bühne. Er hat sich seinen Ruhestand mit Glanz und Gloria verdient.“

Gerhard Seyfried. Der Zeichner hat vier Wahlplakate für Ströbele entworfen

„Angesteckt durch die 68er-Bewegung ist er in wirklich besonderer Weise für Rechtsstaatlichkeit und gegen Rassismus eingetreten. Eine Generation verlässt Schritt für Schritt den Bundestag. Das Parlament droht zu verbeamten. Damit will ich nichts gegen Beamte sagen, sondern gegen die Einseitigkeit im Bundestag.“

Gregor Gysi, Bundestagsabgeordneter der Linken

„Altersbedingt ist das okay. Er hat lange genug gerödelt. Ein aufrichtiger Kämpfer für die Gerechtigkeit geht.“

Till Meyer, Rentner, Ex-2.Juni, Ex-Stasi, Ex-taz

„Er hat nur noch an seiner Profilierung gearbeitet“

Kurt Wansner, CDU

„Ich habe Ströbele mehrmals gewählt und fand ihn immer toll. Weil er jemand ist, der auch widerspricht. Er wird mir fehlen.“

Oleg Kolinko, Rentner aus Friedrichshain

„Als Ströbele Ende der 60er Jahre die Bühne betrat, stand ich als junger Polizist auf der anderen Seite. Ich meinte, gegen die Rebellion den Rechtsstaat verteidigen zu müssen. Später ist er dann als Grüner erneut in meinen Fokus geraten. Da habe ihn schätzen gelernt. Mitunter ist er eine Nervensäge. Aber ein unbequemer Querkopf ist mir alle mal lieber als diese glattgebügelten, Sprechblasen absondernden Politikertypen, die heute unterwegs sind.“

Henry Maiwald, Polizist im Ruhestand

Protokoll: Antje Lang-Lendorff und Plutonia Plarre

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