So viele Hartz-IV-Sanktionen wie nie

Armut Zwischen 2015 und 2016 stieg die Zahl der Sanktionen gegen Hartz-IV-EmpfängerInnen rasant an. Schuld ist wahrscheinlich, dass das Jobcenter mehr Geld für Fördermaßnahmen ausgeben kann

„Wenn Termine nicht eingehalten werden, zieht das kleinere Sanktionen nach sich“

Christian Ludwig, Sprecher des Bremer Jobcenters

So viele Sanktionen gegen Hartz-IV-EmpfängerInnen wie nie zuvor gab es in der Stadt Bremen zwischen August 2015 und Juli 2016 – zu dieser Feststellung kommt Paul Schröder vom Institut für Arbeitsmarktforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ).

Ausgewertet hatte er verschiedene Statistiken der Bundesagentur für Arbeit. 9.984 Mal wurde danach in dem Zeitraum Menschen weniger Geld zur Sicherung ihres Lebensunterhalts ausgezahlt als ihnen zustand, weil sie nicht wie bestellt im Jobcenter erschienen sind oder andere Auflagen nicht erfüllt haben.

Allein im Juli 2016 betraf das 1.593 Leistungsberechtigte beziehungsweise deren Kinder. Das waren fast 350 mehr als im Juli 2015. Allerdings stieg in dem Zeitraum auch die Anzahl der LeistungsempfängerInnen von 54.276 auf 55.272. In Prozent ist der Anstieg daher nicht so hoch wie in absoluten Zahlen, etwa einen halben Prozentpunkt. Schröder sagt dennoch, er habe sich über die vielen Sanktionen gewundert, denn zuletzt habe es zwischen 2013 und 2014 einen ähnlich hohen Stand gegeben. Damals seien es 9.875 Sanktionen zwischen Juli 2013 und Juni 2014 gewesen. „Anschließend ging es wieder runter – bis zum April 2016“, so Schröder.

Das Jobcenter Bremen konnte gestern keine umfassende Erklärung liefern. „Ich vermute, dass es daran liegt, dass unsere Berater und Beraterinnen in den vergangenen beiden Jahren mehr Geld zur Verfügung hatten für Fördermaßnahmen und mehr eingeladen haben. Wenn dann Termine nicht eingehalten werden, zieht das kleinere Sanktionen nach sich“, so Jobcenter-Sprecher Christian Ludwig,. Im Schnitt lagen die Sanktionen bei 127,28 Euro im Juli 2016.

Gitta Barufke, Beraterin bei der Aktionsgemeinschaft arbeitsloser Bürgerinnen und Bürger (Agab), hat noch eine andere Vermutung. „Wir haben oft mit Leuten zu tun, die kaum Deutsch sprechen oder verstehen und die eine Eingliederungsvereinbarung des Jobcenters unterschrieben haben, ohne verstanden zu haben, zu was sie sich damit verpflichtet haben.“ So hätten sich Menschen bereit erklärt, Bewerbungen zu schreiben, obwohl sie dazu gar nicht in der Lage seien. „Da tappen viele in die Falle.“

Die Grünen hatten vor einem Monat auf ihrem Bundesparteitag beschlossen, Hartz-IV-Sanktionen abzuschaffen. Auch die Bremer Grünen hatten sich vergangenes Jahr dafür ausgesprochen. Die Fraktion der Linken fordert die Abschaffung in regelmäßigen Abständen. eib