Das goldene Übel

Magie Der Urwald war kahl, der kleine Panther sah nur Ödnis. Er machte sich auf, die Bäume zu retten

Illustrationen: Marén Gröschel

Ein kleiner schwarzer Panther lebte in den Tiefen eines Urwalds. Bäume reckten sich in den Himmel und Bäche schlängelten sich zwischen ihnen hindurch. Eines Tages beschloss der kleine Panther, zu seinem Lieblingsbaum zu spazieren. Nach einer Weile fiel ihm ein goldenes Schimmern zwischen den Bäumen auf – es zog ihn an. Da erblickte er die Ausläufer eines goldenen Spinnennetzes: Wo sonst sein Wald gewesen war, spannen sich dünne Fäden über eine kahle Ebene. Baumstümpfe ragten aus dem trockenen Boden, nichts als Schmutz und Gold. „Achtung“, brüllte es hinter ihm und der Panther sprang zur Seite, als sein Lieblingsbaum zu Boden krachte.

„Ey Digga, du stehst im Weg!“, rief ein stämmiger Zwerg. „Meine Kollegen und ich haben hier ein Dutzend Bäume zu fällen!“ Der kleine Panther fragte: „Aber warum tut ihr das?“ „Business as usual.“ „Hier war doch mein Urwald! Wo sind die Bäume hin?“„Die kommen zur Spinne. Sie verwandelt sie in Gold, damit das Netz weiter wachsen kann.“ „Welche Spinne?“

Der Zwerg antwortete: „Na, die alte Spinne, die im Zentrum des Netzes lebt. Wir arbeiten seit Generationen für sie, und wenn das Netz vollendet ist, bekommen wir unseren Goldanteil.“ Eine große Gruppe Zwerge hatte sich um sie versammelt.

„In meinem Wald sucht niemand nach Gold. Könnt ihr nicht auch ohne Gold glücklich sein?“ „Nein! Niemals!“, riefen die Zwerge. Ein junger Zwerg trat hervor: „Ich kann ohne Gold leben“, sagte er. „Aber um den Urwald retten zu können, müsste das goldene Netz aufgehalten werden!“ Die anderen Zwerge brachen in Gelächter aus. Der Panther jedoch wusste, er hatte einen Freund gefunden. „Lieber Zwerg, sei doch mein Gefährte und lass uns die Spinne aufsuchen, sie scheint die Quelle des goldenen Übels zu sein.“ Sie ließen die zeternden Zwerge zurück und machten sich auf zum Zentrum des Netzes.

Eines Tages begegnete ihnen eine alte Frau, die allein im Staub der kahlen Ebene saß. „Was bringt dich an diesen toten Ort?“, fragte der Panther. Die Alte lächelte traurig. „Auch hier erstreckten sich einst grüne Wiesen. Bevor die Spinne mit dem „Fluch der Gier“ belegt wurde. Nun muss sie das Netz bis in alle Ewigkeit spinnen. Sie hat vergessen, was es heißt, zu fühlen, und dass sie selbst einmal Teil der Wiesen und Wälder war.“

Der Panther fragte: „Aber wie kann der Fluch aufgehoben werden?“ „Der Fluch kann nur durch eine Träne der Spinne aufgehoben werden. Ich versuchte ihr Herz zu erweichen, doch der Bann war zu stark.“ Der Zwerg sagte: „Begleite uns! Wir versuchen es gemeinsam.“ Zu dritt folgten sie den dicker werdenden Goldfäden, schwefeliger Geruch erfüllte die Luft. Von Nebelschwaden umgeben, thronte die Spinne in der Mitte des Netzes. Ihre acht Augen fixierten die drei Gefährten.

„Was wollt ihr hier?“, zischte sie. „Was störst du mich wieder, Alte?“ „Ich bin gekommen, um dich daran zu erinnern, dass du einst glücklich und nicht gierig warst.“ „Gierig bin ich nicht. Das goldene Netz bringt allen Glück und Reichtum.“

Da trat der Zwerg vor: „Wir Zwerge schuften schon ewig für das Netz. Und nie ist einer glücklich geworden.“ Die Spinne überlegte. „Wenn Gold nicht vermag, euch glücklich zu machen, was dann?“ Da sprach der kleine Panther: „Bevor ich dein goldenes Netz entdeckte, war ich glücklich. Alle Wesen des Waldes lebten gemeinsam, jedes hatte, was es brauchte.“

Und die Spinne erinnerte sich. An die grünen Wiesen und den Sommerregen und eine einzelne Träne rollte über ihre Spinnenwange. Der Tropfen fiel auf einen goldenen Faden und ein Zittern ging durch das Netz. Augenblicklich löste es sich auf – und zerstob wie Staub im Wind. Von diesem Tag an strömte das Leben zurück ins Land, und der Panther und seine Freunde erlebten noch viele Abenteuer.

Edda Luisa Kruse Rosset
, Felix Wellisch
, Tim Schneider
und Naomi Webster-Grundl