US-Deserteur André Shepherd bekommt kein Asyl

KlageDer Soldat wollte der Beteiligung an befürchteten Kriegsverbrechen entgehen

„Man wollte seine Glaubwürdigkeit kaputtmachen“

Anwalt Reinhard Marx

MÜNCHEN taz | Die Bemühungen bleiben erfolglos: André Shepherd, der wegen des Irakkriegs von der US-Armee desertiert war, erhält in Deutschland weiter kein Asyl und keine Anerkennung als Flüchtling. Gestern wies das Bayerische Verwaltungsgericht seine Klage ab, nachdem der im April 2007 geflüchtete damalige Soldat am Vortag fünf Stunden lang intensiv befragt worden war.

Nach Ansicht der Richter war die Desertion „nicht das letzte Mittel“, um der Beteiligung an befürchteten Kriegsverbrechen zu entgehen. Shepherd habe sich „nicht ernsthaft mit der Möglichkeit der Kriegsdienstverweigerung beschäftigt“ und sich auch nicht bemüht, in eine andere Einheit zu wechseln oder aus den Streitkräften entlassen zu werden.

Reinhard Marx, Anwalt des heute 39-jährigen US-Amerikaners, will in Berufung gehen. Gegenüber dieser Zeitung sagt er: „Das Gericht wollte sich nicht mit den Kriegsverbrechen befassen.“ Im vergangenen Jahr hatte der Europäische Gerichtshof zum Fall Shepherd festgestellt, dass desertierte Soldaten durchaus Flüchtlingsschutz genießen können, wenn die Gefahr bestand, dass sie sich an Kriegsverbrechen hätten beteiligen müssen. Im Falle des Mannes aus Cleveland, Ohio, der aus Geldnot bei der Army angeheuert hatte, meint das Münchner Gericht aber, dass es weder feststellen muss, ob der Irak-Einmarsch 2003 völkerrechtswidrig war, noch ob Kriegsverbrechen begangen wurden.

Shepherd war in der Verhandlung von den Richtern immer wieder mit angeblichen Widersprüchen in seinem Handeln konfrontiert worden. „Man wollte seine Glaubwürdigkeit kaputtmachen“, kritisiert Anwalt Marx. Der beisitzende Richter etwa wünschte von Shepherd Ausdrucke von vor 2005, die belegten, dass er sich tatsächlich mit möglichen Gräueltaten der US-Armee befasst hatte.

Keine Gefahr besteht aber, dass Shepherd nun in die USA ausgewiesen oder abgeschoben wird. Er ist mit einer Deutschen verheiratet und besitzt schon seit Längerem – unabhängig von der Ehe – eine Niederlassungserlaubnis, die unbefristet gilt. In die USA sollte er allerdings nicht reisen, dort drohen ihm Verurteilung wegen Fahnenflucht und eine Haftstrafe. Shepherd klagt auch deshalb, so sein Anwalt Marx, „weil er möchte, dass seine damalige Not rechtlich anerkannt wird“.

Seit fast zehn Jahren lebt der Deserteur im Chiemgau, seiner Wahlheimat, und arbeitet für eine IT-Firma. Er erinnert sich auch daran, wie er dort nach seiner Desertion von Freunden 18 Monate lang als Illegaler versteckt worden war. Viele Menschen wussten, um wen es sich handelte, aber niemand hatte das den Behörden gemeldet.

Patrick Guyton