meiner Freundin fatma habe ich einen Vortrag über die selbstverwirklichung westlicher frauen gehalten. gut, dass sie mich nicht verstanden hat
: Ein tropfendes Gemüsefach

Foto: privat

Vogelfluglinie

von Rebecca Clare Sanger

Also, wir Frauen im Westen sehen unser Heim nicht als unsere Hauptaufgabe. Wir wollen kreativ sein, uns im Beruf verwirklichen, wir wollen Mütter sein, aber eben auch mit unseren Kindern spielen, sie fördern, mit ihnen rausgehen. Insgesamt sehen wir unseren Wirkungskreis außerhalb des Hauses, nicht innerhalb.

Manchmal stoßen wir mit diesen Ansichten aber an Grenzen. Nun, am Abend danach, wird mir bewusst, dass mir eigentlich schon da der Boden unter meinen Füßen weggerutscht war. Meine Freundin Fatma und ich hatten übers Saubermachen gesprochen. Sie putzt jeden Samstag. Jeden Sonntag. Viele Stunden. Und öfters die Küchenschränke, den Kühlschrank gleich mit. Von innen selbstverständlich.

„Nee, das mache ich so nicht“, hatte ich noch gestottert, bevor ich zu meinem Vortrag anhob, der an Fatma unverstanden vorbeizog. „Nach einem Jahr Sprachschule verstehe ich immer noch so gut wie gar nichts“, sagte sie mutlos.

Das ist ganz gut so. Das weiß ich jetzt. Denn erst jetzt wird mir klar, dass ich, während ich da gestern über Frauen des Westens sprach, an desinfizierte Kühlschränke dachte. An meinen, genauer genommen, wo es ins Gemüsefach tropft, tagelang, wochenlang. Ungebremst.

Auch die fahrige, scheints zufällige Armbewegung, mit der ich heute für unsere bosnische Putzfrau den Kühlschrank öffnete, „dafür haste wohl heute keine Zeit mehr“, ordne ich jetzt, abends am brennenden Kamin sitzend, anders ein.

Nach der fahrigen Armbewegung war ich ins Winterbad gefahren, wo ich ihren Ehemann traf. „Musste nicht gleich deine Frau bei uns zu Hause abholen?“, fragte ich. „Nee, die kommt mit dem Bus“, sagte ihr Mann. „Ich hab heute auch total viel zu tun“, sagte ich. „Ich muss mir noch ein neues Telefon besorgen und mir die Kindergärtner im Kindergarten vorknöpfen. Mein Sohn hat am Freitag von den größeren Jungs auf die Nase gekriegt.“

Wieder zu Hause, war unsere Putzfrau immer noch da. „Mein Mädchen, du brauchst neuen Essig, Glasreiniger, Scheuermilch und Salmiak“, befahl sie. „Und bitte wasche deine Lappen bis zum nächsten Mal.“

„Hast du Geschwister?“, fragte sie mich dann, denn ich war auch mit meiner Mutter mal im Winterbad gewesen, und auch da hatten wir ihren Mann getroffen. „Nein, ich bin Einzelkind“, antwortete ich. „Na, dann biste bestimmt rotzverwöhnt“, sagte sie lachend, während sie sich eine Tasse Kaffee einschenkte. Am langsam erlöschenden Kamin ordne ich dieses Detail nicht in meine Kühlschrankkausalkette ein.

Mein neues Telefon ist zum Zweiterhandmodell geworden, die Standpauke im Kindergarten zur Frage, ob mein Sohn denn auch so viel haue wie die anderen. Und mein Mann aß heute beim Abendbrot mit mehr Vertrauen als sonst heruntergefallene Nudeln vom essigsauer eingelegten Küchenfußboden.

Morgen kann ich meine Freundin Fatma noch einladen. Übermorgen – vielleicht noch. Aber nur mit ein bisschen Staubsaugen. Danach ist die Haltbarkeitsfrist verfallen. Und es herrschen bei uns wieder nachweisbar Zustände – wie bei Frauen des Westens.

Rebecca Clare Sanger pendelt mit Mann und Kindern zwischen Hamburg und der dänischen Insel Møn; was sie dabei erlebt, steht alle zwei Wochen an dieser Stelle.