Trumpland

Eine Woche nach den Präsidentschaftswahlen dreht sich das Personalkarussell in Washington, und viele Latinos fürchten sich

„Trump, hör zu, wir kämpfen“

REAKTIONEN Sicherheitsnadeln als Symbol der Hilfe: In New York demonstrierenLatinofamilien und ihre Unterstützer gegen die angekündigten Abschiebungen

Reince Priebus (Mitte), bald im Zentrum der Macht Foto: Chip Somodevilla/afp

Aus New York Dorothea Hahn

„Was ruft ihr?“, fragt eine Passantin am Fuß des Trump International Hotel, am südwestlichen Zipfel von Central Park. Eine Latina übersetzt den Slogan und spricht ihn langsam vor, damit die englischsprachige Frau ihn mitrufen kann: „Trump escucha – estamos en la lucha“ – Trump hör zu, wir kämpfen.

Die beiden ziehen in der Menschenmenge weiter, über die 59. Straße, bis hin zu einem weiteren Hochhaus in dieser Luxus-Gegend an der 5th Avenue von New York, an dem ebenfalls der Name des künftigen Präsidenten der USA prangt.

Unter den Demonstranten sind viele Eltern mit Kindern. Die Spannung ist spürbar. Vielfachhat ein Teil derFamilie die US-Staatsbürgerschaft, während andere Angehörige als„Illegale“ abgeschoben werden können

Es ist der fünfte Tag nach den Wahlen, ein Sonntag, und wieder demonstrieren in vielen Städten der USA Zigtausende gegen den gewählten Präsidenten. Dazu haben hier in New York Immigrantengruppen mobilisiert. Unter den Protestierenden sind viele Eltern mit Kindern, und die Spannung ist spürbar. Vielfach besitzt ein Teil der Familie – etwa die in den USA geborenen Kinder – die US-Staatsangehörigkeit, während die Eltern als „Illegale“ jederzeit abgeschoben werden können, wie es der künftige Präsident angedroht hat.

#HereToStay steht über dem Aufruf zur Demonstration. Slogans auf Englisch und Spanisch werden gerufen. Handgemalte Transparente verteidigen die Aufenthaltsgenehmigung für Studenten und den Zusammenhalt von Familien. „Einwanderer sind willkommen“, lautet eine Parole der „Anglos“ in der Menge. Eine andere fordert: „Liebe deine Nachbarn!“

Manche Teilnehmer tragen eine der Sicherheitsnadeln am Revers oder an der Mütze, die in den vergangenen Tagen zu einem Symbol der Bewegung gegen Trump geworden sind. „Meine Sicherheitsnadel bedeutet, dass ich Menschen in Not helfen und sie schützen werde“, erklärt die 31-jährige Ingenieurin Rose.

Steve Bannon (Mitte), rechter Denker für Trump Foto: Chip Somodevilla/afp

„Macht Amerika wieder sicher“, heißt es auf dem Transparent der 22-jährigen Modedesignerin Brenna Dolan. Wie viele Demonstranten hier hat sie sich den demokratischen Sozialisten Bernie Sanders gewünscht – und dann zähneknirschend für Hillary Clinton gestimmt. Sanders, so glaubt sie, hätte gegen Trump gewinnen können. Jetzt hofft sie, dass die vielen Gleichaltrigen um sie herum, die sich nicht mit Politik befassen wollten – „weil das zu negativ ist“ –, endlich verstehen, dass sie ihre „Nation von Immigranten“ verteidigen müssen.

„Dies ist wie Deutschland im Jahr 1932. Wir werden bald die Wahl haben, entweder Oskar Schindler oder Zuschauer zu sein“, meint der 35-jährige Anwalt Gandeep Kadhari, der sich an das Dilemma des Industriellen Oskar Schindler erinnert fühlt, der einst viele Juden vor den Nazis rettete. Dem Anwalt geht es darum, zu „protestieren“, zu „mobilisieren“ und sich auf die kommenden harten Zeiten vorzubereiten.

„Wir sind die Stimme der Mehrheit“, skandieren manche. Inzwischen steht zwar fest, dass Trump die Mehrheit der „Wahlleute“ hat, die ihn am 19. Dezember zum Präsidenten wählen werden. Aber insgesamt hat Clinton mehr Stimmen aus der Bevölkerung bekommen: Wenn alle Wahlzettel ausgezählt sein werden, könnte sie mit mehrals einer Million Stimmen vor dem künftigen Präsidenten liegen.

Priebus, 44, designierter Stabschef im Weißen Haus, ist seit 2011 Chef des Republican National Comittee. Zuvor war der Anwalt Republikaner-Chef in Wisconsin. Ein öffentliches Amt hat er noch nie bekleidet.

Priebus hat im ganzen Wahlkampf zu Trump gehalten. Als Parteichef hat er zudem den Nominierungsparteitag organisiert.

Nach der Wahlniederlage Mitt Romneys 2012 organisierte Priebus die inhaltliche und organisatorische Überarbeitung der Partei. Die vorgeschlagene Öffnung für Minderheiten erledigte sich mit Trump als Kandidaten – von der verbesserten Organisation und Datenbasis aber profitierte Trump. Priebus sorgte dafür, dass Trump in kritischen Staaten wie Michigan und Wisconsin ein gutes Wahlkampfteam hatte.

Für die Demokraten wiederholt sich damit das Drama von 2000, als ihr Kandidat Al Gore zwar eine halbe Million mehr Stimmen, aber der Republikaner George W. Bush in den entscheidenden Bundesstaaten die Mehrheit der Wahlleute bekam. „Wahlleute – folgt eurem Gewissen“, hat die 38-jährige Haarstylistin Melissa auf ihr Transparent geschrieben. Sie will glauben, dass die Wahlleute das Land davor bewahren könnten, „uns unsere Rechte und die Fortschritte von Jahrzehnten zu nehmen“.

Für die meisten Demonstranten hier ist Clinton bereits Vergangenheit. Manche haben gar nicht erst für sie gestimmt. Tom hat ein Transparent mit einem Appell an Trump an seinem Rollstuhl befestigt: „Mach dich nicht lustig über mich!“ Er habe keine Angst vor der Zukunft, sagt der 59-Jährige: „Vielleicht, weil ich seit zehn Jahren in diesem Stuhl sitze.“

Bannon, 62, soll als Trumps „Chefstratege“ im Weißen Haus arbeiten. Bannon war im Sommer als Wahlkampfmanager in Trumps Team geholt worden.

Zuvor war er mehrere Jahre Herausgeber der von Andrew Breitbart gegründeten Internetplattform Breitbart News, einem Medium, das unter ihm von einer konservativen Grundhaltung aus zum Sprachrohr unzähliger rechter Verschwörungstheorien und der sogenannten Alt-Right-Bewegung wurde. Die Alt-Righter stehen für als Kampf gegen Political Correctness verpackten Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Homophobie, Migranten- und Islamfeindlichkeit und Antisemitismus.

Bannon hatte zuvor eine Karriere bei Goldman Sachs und als Medienproduzent.

In der Geschichte der USA ist nie ein Präsident direkt nach seiner Wahl auf so heftigen Widerstand gestoßen wie Trump. Der hat zwar in der Wahlnacht erklärt, er wolle der „Präsident aller Amerikaner“ sein. Aber in seinem ersten Interview nach seinem Sieg spricht er am Wochenende verächtlich von „professionellen Demonstranten“. Seine Mitarbeiterin Kellyanne Conway will, dass die Protestierenden endlich von der Straße verschwinden. Sie fordert die gescheiterte Kandidatin Hillary Clinton und den Präsidenten Barack Obama dazu auf, die Straße „zur Ruhe zu rufen“.

Doch in New York warten die Demonstranten an diesem Nachmittag nicht auf eine Weisung von oben. Sie wissen, dass sie gegen Trump und seine Mehrheiten – in den beiden Kammern des Kongresses, in den Bundesstaaten und bald auch im Obersten Gericht – nur auf ihre eigenen Kräfte setzen können. Und sie wollen die Hoffnung nicht aufgeben, dass Trump am Ende doch nicht schafft, was er sich vorgenommen hat: „Hands Too Small To Build That Wall“ – Trumps Hände seien „zu klein, um die Mauer zu bilden“, skandieren sie immer wieder.