„Facebook raus aus Schulen“

Sicherheit Imke Sommer ist Bremens Datenschutzbeauftragte und will Facebook und Whatsapp an Schulen verbieten. Im Interview spricht sie über alternative Plattformen

Digitale Bildung, ja bitte. Aber Bremens Datenschutzbeauftragte hält nichts davon, wenn Lehrkräfte mit SchülerInnen über Facebook und Co kommunizieren Foto: Patrick Seeger/dpa

Interview: Lukas Thöle

Frau Sommer, Sie sind seit sieben Jahren Bremens Datenschutzbeauftragte, aber in den Medien sind Sie kaum präsent. Wollen Sie das ändern?

Imke Sommer: Natürlich könnte ich mehr Pressemitteilungen herausgeben. Meine Erfahrung ist aber, dass sie zu selten von den Medien aufgegriffen werden. Deshalb ist der direkte Medienkontakt wie jetzt hier sicherlich wirkungsvoller.

Welche Botschaft zum Thema Datenschutz würden Sie gerne transportieren?

Zum Beispiel, dass wir unsere Gesetze auch dann durchsetzen müssen, wenn die Unternehmen ihren Sitz im außereuropäischen Ausland haben. Das soll die europäischen Datenschutz-Grundverordnung gewährleisten, die im Mai 2018 in Kraft treten wird.

Schafft die das aus Ihrer Sicht?

Ja. Kein Unternehmen wird es sich mehr leisten können, unsere Gesetze zu ignorieren. Das ist großartig. Auch wenn die großen IT-Dienstleister ihre Interessen in vielen Punkten durchgesetzt haben – Facebook hat der irischen Regierung die Änderungsvorschläge quasi in die Feder diktiert.

Ein anderes großes Thema ist der Umgang mit digitalen Medien an Schulen. Die Bundesbildungsministerin will die „Digitale Bildung“ mit fünf Milliarden Euro fördern. Was bedeutet das für den Datenschutz?

Die zusätzlichen Mittel könnten der Medienbildung zugute kommen. Es ist wichtig, dass die Schule dazu beiträgt, das Internet zu entzaubern. Den Schülerinnen und Schülern muss deutlich sein, dass auch im Internet, wie auch sonst in der Welt, keiner etwas macht, ohne davon einen wirtschaftlichen Nutzen zu haben.

Wie klar ist das Bremer Schülerinnen und Schülern?

Am internationalen Frauentag war ich in einer Schule und wollte mit den Kindern über Geschlechterrollen reden. Aber das Gespräch kam dann irgendwann doch auf das Thema Daten. Das Grundrecht auf Selbstbestimmung bezieht sich eben auch auf den Aspekt, wer wann was über mich weiß. Die Schülerinnen und Schüler haben ein starkes Interesse und auch ein eigenes Bewusstsein für Datenschutz. Sie nutzen Dienste wie Facebook, obwohl sie wenig Vertrauen in diese Anwendungen haben. Ihnen fehlen nur für sie akzeptable Alternativen.

Dürfen Lehrkräfte Whatsapp und Facebook nutzen, um mit ihren SchülerIinnen zu kommunizieren?

Dafür gibt es keine gesetzliche Grundlage. Es sei denn, dass alle Eltern ihre Einwilligung dazu gegeben haben. Immerhin geht es um die Daten ihrer Kinder. Aber dann ist das Problem, wie man diese Einwilligung bewertet. Denn aus Sicht der Datenschützer ist ein ganz wichtiger Bestandteil der Einwilligung, dass die Betroffenen auch informiert sind. Das ist aber nicht der Fall, wenn nicht alle wissen, was mit ihren Daten geschieht. Auch im Sinne eines kritischen Vorlebens von Datenschutz finde ich die Nutzung von Facebook und Whatsapp durch Lehrerinnen und Lehrer besonders schlecht.

Was ist problematisch an der Nutzung von Facebook?

Facebook greift in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung ein. Dafür hat der Konzern aber weder eine gesetzliche Grundlage noch eine wirksame Einwilligung der Menschen, die Facebook nutzen. Denn weite Teile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Facebook entsprechen nicht dem deutschen Recht. Der US-amerikanische Konzern sammelt trotzdem Daten über die Nutzer und Nutzerinnen seiner Plattform. Vom Datensammeln sind sogar Personen betroffen, die mit Facebook gar nichts zu tun haben wollen. Auch das widerspricht dem Recht.

Wie sollten sich Schulen dazu verhalten?

Die Schule muss thematisieren, was mit unseren Daten geschieht und welche Alternativen es zu Facebook und Whatsapp gibt. Erst dann können Kinder und Jugendliche lernen, Inhalte kritisch zu hinterfragen. Sie hören natürlich nicht gern, dass ihre Lieblingsanwendungen ihre Daten missbrauchen oder unsicher sind.

Imke Sommer

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50, ist Juristin und seit 2009 Bremens Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. Sie promovierte über feministische Rechtstheorie und arbeitete am Informationsfreiheitsgesetz in Bremen.

Ist es sinnvoll, die Kommunikation über Whatsapp und Facebook in Schulen zu verbieten?

Wenn die verbotenen Medien außerhalb der Schule weiter genutzt werden und Schülerinnen und Schüler nicht verstehen, worin das Verbot begründet ist, dann bringt das auch nichts.

Sollte Facebook innerhalb der Schule gesperrt werden?

In der Schule sollte nur die Kommunikation stattfinden, die dort auch hingehört. Und diese muss sich dann auch auf sichere Netzwerke verlassen können. Dafür gibt es in Bremer Schulen seit dem letzten Jahr eine Kommunikationsplattform. Daher ist es richtig, den Zugang zu Facebook zu sperren.

Aber besteht nicht ein gesellschaftlicher Zwang, soziale Netzwerke zu nutzen?

Das ist ja die interessante Frage. Wie ist das mit der Freiwilligkeit? Von Gesetzes wegen muss meine Einwilligung freiwillig sein und ohne Zwang erfolgen. Aber wie gehen wir mit sozialen Zwängen um? Wenn ich die Letzte aus der Klasse bin, die sich bei Whatsapp anmeldet, dann entgehen mir bis dahin viele Informationen und ich erfahre zum Beispiel nicht rechtzeitig, wenn der Unterricht ausfällt.