Reiner Wandler über Spaniens neue Minderheitsregierung
: Verrat an den Wählern

Ein Land bekommt die Regierung, die es verdient, heißt es. Nicht so Spanien. Die spanischen Wähler haben mit einer überwältigenden Mehrheit Parteien gewählt, die den Konservativen die Stirn geboten haben. Dennoch wird der bisherige konservative Ministerpräsident Mariano Rajoy erneut vom Parlament im Amt bestätigt. Die rechtsliberalen Ciudadanos einigten sich mit Rajoys Partido Popular (PP) auf einen Regierungspakt. Die Regionalfürsten der Sozialisten (PSOE) putschten ihren Generalsekretär weg und nötigten die Abgeordneten zur Duldung von Rajoys Minderheitsregierung.

Basis und Wählerschaft sind empört. Die Entscheidung sei im Interesse des Landes, verteidigt sich die PSOE-Parteiführung, als würde ein Land nicht aus seinen Bürgern bestehen. Die Sozialisten sind tief gespalten. So mancher Wähler und so manches Mitglied wenden sich bereits enttäuscht ab. Schließlich ist Rajoy nicht irgendwer, sondern er ist für das unsoziale Sparprogramm verantwortlich, und seine Partei ist der korrupteste Haufen, den Spanien in seiner Demokratie je an der Macht hatte.

Der Unmut äußerte sich in Massenprotesten vor dem Parlament, während drinnen die Sozialisten Verrat am eigenen Wahlprogramm begingen. Dabei wäre eine alternative Mehrheit möglich gewesen. Doch dazu hätte die PSOE auf die linke Protestpartei Podemos zugehen müssen. Doch das haben die Sozialisten schon nach den ersten Wahlen kategorisch ausgeschlossen, weil Podemos unter anderem ein Ende der Sparpolitik fordert.

Es ist der zweite große Verrat der PSOE an ihrer Wählerschaft seit Beginn der Krise. 2011 schrieben die Sozialisten in einer Sommernacht zusammen mit der PP im Eilverfahren eine Schuldenbremse in die Verfassung, die Kredit und Zinsen Vorrang vor Sozialausgaben gibt. Seither verliert die PSOE Wahl für Wahl Stimmen. Die Sozialdemokratie, wie sie Spanien kannte, hat am Samstag vermutlich endgültig Selbstmord gegangen.

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