Die Wahrheit: Hinfort, Satansbraten!

Wenn's ums Happahappa geht, hört bei den Deutschen der Spaß auf. Dann wird das siechende Brutzelschwein aufs Blut gegen Fremde verteidigt.

Ein Schweinskopf

Yamm, yamm – die leckere andere Art von Schweinebraten Foto: reuters

Bei unseren anders essenden Neubürgern hatte die Kanzlerin schon im Sommer um Toleranz für den deutschen Schweinebraten geworben, vielleicht auch ein wenig um Vergebung. Nun hat Innenminister Thomas de Maizière die davon aufgeschreckten Eingeborenen beruhigt und ihnen versichert, dass in dieser Gesellschaft niemand auf das Traditionsgericht „als Bestandteil seines Lebens“ verzichten müsse – nicht aus religiösen und schon gar nicht aus Geschmacksgründen.

Doch staatliche Garantien kommen eventuell bereits zu spät, finden Wissenschaftler in In- und Umland. „Dass sich unsere Regierung ausgerechnet für den Fraß so ins Zeug legt, ist bescheuert“, schüttelt der Ernährungshistoriker Prof. Fred Soworski von der FH Schweinfurt sich und den Kopf. „Es isst ohnehin kaum jemand mehr Schweinebraten – wir sollten ruhig vor den Moslems einknicken und ihn verbieten.“

Tatsächlich ist aus dem angeblichen Nationalgericht ein exotisches Kuriosum geworden. In Deutschland werden mittlerweile allein zweihundertmal so viele Salamipizzen verzehrt wie Schweinebraten, berichtet der Forscher, „in Tonnen, täglich, von Dönerfleisch wollen wir gar nicht erst anfangen!“ Zubereitet werde die fette Speise überhaupt nur noch „von irgendwelchen Omis auf dem Land“ oder in der auf Hausmannskost spezialisierten Gastronomie, die jedoch allmählich aussterbe.

„Es ist aber auch sauschwer, ihn richtig hinzukriegen“, bestätigt Dr. Lena Hertig von der Genussakademie Hildesheim. Abgesehen davon, dass sich kein Mensch mehr für die alten deutschen Bratenrezepte interessiere, erst recht kein junger Leckerschmecker und schon gar kein Koch, sei es beim Schweinebratenessen nahezu unmöglich, nicht enttäuscht zu werden: „Entweder ist die Kruste nicht kross, sondern weich und wabbelig, oder das Fleisch ist innen faserig und furztrocken. Man muss also entweder würgen oder ersticken, und dann schmeckt es meist noch nicht mal!“

Aus dem deutschen Alltag ist der Schweinebraten daher weitgehend verschwunden, wie Hertig bei ihren Feldstudien beobachtet hat. Außerhalb Bayerns kennen ihn Unter-50-Jährige höchstens noch in der Schwundform des Spießbratenbrötchens an der Metzgertheke, Unter-30-Jährige sogar nur noch als vegane Imitation aus Soja- und Weizeneiweiß.

Braten als reines Phantasma

Hertigs These lautet deshalb: Der Schweinebraten ist ein reines Phantasma geworden – vergeblicher Versuch, über das kulinarische Gedächtnis eine Gemeinsamkeit herbeizuhalluzinieren, die in Wirklichkeit im Bratschlauch der Geschichte verbrutzelt ist. „Einige schwarzbraune Reste kokeln allerdings immer noch vor sich hin“, lacht sie. „Und stinken!“

Prof. Soworski verzichtet dankend: „Allein für ein trotziges ‚Ich will aber aus Prinzip Schweinebraten futtern können, wenn mir alle hundert Jahre theoretisch mal danach ist‘ lohnt sich vermutlich kein Kulturkampf und erst recht kein präventiver Krieg gegen die Andersgläubigen.“ Sein berührendes Fazit: „Geben wir unseren Neubürgern doch einfach, was sie wollen: Opfern wir den Satansbraten dem inneren Frieden, wir von der Mehrheitsgesellschaft.“

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