Berliner Therapieprojekt: Erfolgreich gegen Missbrauch

„Kein Täter werden“ hilft Männern, die ihren sexuellen Neigungen zu Kindern nicht nachgeben wollen. Die Weiterfinanzierung des erfolgreichen Charité-Projekts ist nun gesichert.

Sexuelles Verlangen nach Kindern ist therapierbar, sagen die Experten der Berliner Charité. Foto: dpa

Das Präventionsprojekt für Pädophile „Kein Täter werden“ an der Charité kann nun doch weitergehen – als Modellvorhaben des Spitzenverbandes der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV). In den kommenden fünf Jahren wird es voraussichtlich pro Jahr rund 5 Millionen Euro für das Projekt geben, das inzwischen bundesweit an elf Standorten läuft.

Eine entsprechende Gesetzesänderung solle bis Jahreswechsel von Bundestag und -rat verabschiedet werden, verkündete am Dienstag der Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, Lutz Stroppe, anlässlich einer Bilanz von „Kein Täter werden“. Man wolle evaluieren, ob ein Therapieangebot für Männer, die sich freiwillig melden, um pädophile Neigungen unter Kontrolle zu bringen, künftig von den Krankenkassen bezahlt werden kann. „Die Verhinderung von sexuellem Missbrauch von Kindern ist eine Aufgabe, die alle angeht“, so Stroppe. Mit der neuen Finanzierung leiste „nun auch das Gesundheitswesen einen zusätzlichen und zielführenden Beitrag“.

Seit 2005 läuft das Projekt am Institut für Sexualwissenschaft und Sexualmedizin der Charité – und zwar mit Erfolg, wie der Initiator und Leiter des Instituts, Klaus M. Beier, erklärt: „Evaluationen haben eindeutig gezeigt, dass das Behandlungsprogramm geeignet ist, bekannte Risikofaktoren für sexuellen Kindesmissbrauch zu senken und bei den Betroffenen eine erfolgreiche Verhaltenskontrolle aufzubauen.“

In den vergangenen elf Jahren haben sich bei Beier und seinem Team rund 2.500 Menschen gemeldet. Diese „potenziellen Täter“ litten stark unter Depressionen, hätten große Angst vor Stigmatisierung und seien häufig vereinsamt, so der Wissenschaftler. Es kämen vor allem Männer Mitte 30, die meisten seien berufstätig, 40 Prozent lebten in Beziehungen, und ebenso viele hätten regelmäßigen Kontakt zu Kindern. „Die meisten haben auch bereits Missbrauch begangen“, so Beier – entweder in Form von Kinderpornografie oder von aktivem Missbrauch oder beidem. Nur 15 Prozent hätten ihre pädophilen Neigungen noch nicht ausgelebt.

Etwa 1.100 hat man sich genau angesehen und getestet, davon dann 500 eine Therapie angeboten. 230 haben die Therapie angefangen, 117 bereits abgeschlossen. Eine erste Evaluation ein Jahr nach Therapieende hat laut Beier ergeben, dass von 53 Untersuchten 5 danach einen sexuellen Übergriff begangen haben. „Das ist für uns natürlich schmerzlich, aber doch weniger als in der Vergleichsgruppe.“ Eine zweite Nachuntersuchung fünf Jahre nach Therapieende habe ergeben, dass von 23 Behandelten, die man erreicht habe (60 habe man angeschrieben, 37 hätten nicht reagiert), kein einziger rückfällig geworden sei.

Hohe Erfolgsquote

Nach insgesamt 30 Jahren Forschung zu dem Thema ist sich Beier sicher: „Pädophilie ist eine Krankheit, kein Verbrechen.“ So könne man inzwischen mit „bildgebenden Methoden“ eine Reaktion des Gehirns von Betroffenen auf kinderpornografische Bilder darstellen. Die Krankheit sei nicht heilbar. Die Männer – pädophile Frauen gebe es so gut wie nicht – könnten aber lernen, ihr Verhalten zu kontrollieren, zum Teil hülfen auch Medikamente, die das sexuelle Erleben dämpfen. „Dies machen wir auch, wenn die Betroffenen das möchten“, erklärte er.

Der Ansatz, den Tätern zu helfen, künftige Taten zu unterlassen, sei anfangs in der Bevölkerung sehr umstritten gewesen, so Baier. Durch das Projekt sei aber deutlich geworden, dass „Prävention der beste Opferschutz ist“, wie Christiane Wirtz, Staatssekretärin im Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz, bekräftigte.

Dennoch hatte „Kein Täter werden“ von Beginn an mit Geldproblemen zu kämpfen. Die ersten drei Jahre wurde es mit Geld von Stiftungen finanziert (Volkswagen und Hänsel + Gretel). 2008 wurde ein bundesweites Netzwerk daraus gemacht und das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz übernahm die Finanzierung. Diese müsse man jedoch aus „haushälterischen Gründen“ zum Jahresende einstellen, so Wirtz.

Nachdem dies bekannt geworden war, hatte vorige Woche hatte Berlins Justizsenator Thomas Heilmann (CDU) erklärt, eine Zwischenfinanzierung für ein Jahr zu übernehmen.

Diese werde auch weiter benötigt, erklärte Beier am Dienstag, denn die neue Bundesfinanzierung werde wohl erst nach und nach im nächsten Jahr anlaufen. Zudem sei nach wie vor ungeklärt, wie künftig die Öffentlichkeitsarbeit finanziert werden soll, mit der das Projekt bei seiner Zielgruppe bekannt gemacht wird. Dieser wichtige Aspekt von „Kein Täter werden“ könne nicht von den GKVen übernommen, bestätigte Stroppe.

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