heute in hamburg
: „Weiter sensibilisieren“

Bühnenkunst Der Philosoph Richard David Precht fordert einen bewussteren Umgang mit Tieren

Richard David Precht

Foto: dpa

51, Philosoph und Publizist, Autor des Buches „Tiere denken – Vom Recht der Tiere und den Grenzen des Menschen“.

taz: Herr Precht, werden Menschen gegenüber Tieren sensibler?

Richard David Precht: Ja. Im Barock hat man große Netze gespannt und alle Tiere, die man im Wald gefangen hat, da rein gelegt und sie solange in die Luft geschleudert und auf den Boden fallen lassen, bis sie Matsch waren. Da wurde gejauchzt und gejubelt. Wenn Sie heute so ein Prellspektakel in der Hamburger Innenstadt aufführen würden, würde man die Todesstrafe für Sie fordern.

Woher kommt der Wandel?

Unter dem Vorzeichen von Frieden und Wohlstand ist die Gesellschaft in der Lage, sich immer weiter zu sensibilisieren. Sklaven halten, finden wir nicht mehr gut, Frauen und Kinder verprügeln, auch nicht. Das sind Formen ethischen Fortschritts. Aus Freihandelsabkommen sollte man alle Fragen streichen, die etwas mit Gesundheit, Ernährung und Ethik zu tun haben. Alles, was mit Moral zu tun hat, könnte sich noch deutlich ändern. Wenn ich aber weiß, es kann sich nicht ändern, weil dann 28 EU-Staaten zustimmen müssen, wird moralischer Fortschritt blockiert.

Warum glauben Sie, dass die Massentierhaltung abgeschafft wird, wenn unser Wohlstand stabil bleibt?

Erstens, was wir in der Massentierhaltung machen, und was Menschen für richtig halten, passt nicht mehr zusammen. Im Augenblick sind wir allerdings in einer politischen Großwetterlage, in der die Politik gegenüber der Ökonomie völlig bedeutungslos wird. Zweitens ist es bereits möglich, einer Kuh Nackenzellen zu entnehmen und sie in einer Zellkultur zu vermehren. Das dauert im Augenblick noch ziemlich lange, aber wenn man es beschleunigen kann, kann man Fleisch herstellen, für das Tiere nicht sterben müssen und das preisgünstiger ist.

Was muss sich rechtlich ändern?

Wir müssen dahin kommen, dass man zum Beispiel einen mit Elektroschocks gequälten Laboraffen treuhänderisch mithilfe einer Verbandsklage vor Gericht vertreten kann. Wenn Giftstoffe in einem Joghurt sind, können Sie die Firma im Namen der Allgemeinheit verklagen, obwohl die Allgemeinheit Ihnen den Auftrag nicht erteilt hat. Sie können aber nicht diesen Affen vor Gericht vertreten, mit der Begründung, dass er Ihnen den Auftrag nicht erteilt hat.

Interview: Hannes Vater

„Tiere denken“, ein Abend mit Richard David Precht: 20 Uhr, Kampnagel, Jarrestraße 20, Eintritt 16 Euro