Wenn der Gasmann zweimal klingelt

Energie Weil die hiesigen Erdgasvorräte zur Neige gehen, wird bis 2030 die Technik von 4,3 Millionen Kunden auch aus Bremen und Niedersachsen auf Import-Gas umgestellt. Das könnte teuer werden

Woher kommt Gas? Vorräte aus Deutschland werden rar, jene aus Norwegen und Russland erfordern andere Technik Foto: Roland Weihrauch/dpa

von Joachim Göres

Wer weiß schon, ob der mit H- oder L-Gas heizt und kocht? Für den Normalbürger ist es eigentlich egal, zumal er ohnehin nicht entscheidet, ob „High calorific gas“ oder „Low calorific gas“ aus seiner Leitung strömt.

In den nächsten Monaten wird der Unterschied aber relevant. Denn nicht nur die Qualität, auch die Herkunft der beiden Gassorten unterschiedet sich: L-Gas kommt aus Deutschland und den Niederlanden, H-Gas aus Norwegen, Russland und anderen Ländern. Und da die deutschen und niederländischen L-Gas-Vorräte, die bislang 30 Prozent des deutschen Energiemarkts ausmachten, zur Neige gehen, werden die Anbieter in den nächsten Jahren auf H-Importgas umstellen.

Das erfordert technische Veränderungen in jedem Haushalt, und zwar sehr bald: „In den nächsten Tagen wird die Erhebung aller Gasgeräte durch die von uns beauftragte Anpassungsfirma durchgeführt.“ Mit diesen Worten werden derzeit rund 4,3 Millionen Gaskunden in Bremen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Sachsen-Anhalt von ihrem Energieversorger über die Umstellung informiert. Die übrigen Bundesländer erhalten bereits H-Gas.

Konkret geht es bei der Umrüstung um Gasthermen und Heizkessel, gasbetriebene Herde und Kocher, Gasbrenner, Gasöfen und Gaskamine – insgesamt bis zu sechs Millionen Geräte.

„Die von uns beauftragten Monteure gehen derzeit in die Haushalte mit L-Gas in unserem Versorgungsgebiet und erfassen alle Gasgeräte. Das dauert etwa 15 Minuten pro Gerät. Danach werden die Daten ausgewertet und das nötige neue Material wird beschafft. Es geht vor allem um den Austausch der Gasdüsen“, sagt Andreas Gerow, Sprecher der Celle-Uelzen Netz GmbH.

Versorgung gesichert

Die Umrüstung der rund 50.000 Geräte in dieser Region ist für 2018 vorgesehen – pro Gerät wird eine halbe Stunde veranschlagt. Die Bundesnetzagentur als Aufsichtsbehörde soll darauf achten, dass danach keine Lieferunterbrechungen passieren. „Weil die H-Gas-Reserven sehr viel größer sind als beim L-Gas, ist die Versorgung für die Kunden über viele Jahrzehnte gesichert. Die Umstellung von L- auf H-Gas ist für die Kunden kostenlos“, sagt Gerow.

Eine Aussage, die die Bundesnetzagentur zunächst bestätigt. „Im Rahmen der Marktraumumstellung darf kein Monteur, das Gasbüro oder eine sonstige Person Geld von Ihnen verlangen. Ihnen dürfen keine Arbeitsstunden in Rechnung gestellt werden und Sie müssen keine Austauschteile wie zum Beispiel Brennerdüsen bezahlen“, heißt es auf ihrer Homepage.

Zugleich verweist man aber auf Paragraph 19a des Energiewirtschaftsgesetzes, wonach die Kosten der Umrüstung solidarisiert werden können. „Nach geltendem Gesetz ist die Umlage auf alle Netznutzer möglich“, sagt Pressesprecher Olaf Eul. Höhere Kosten könnten demnach auf alle betroffenen Haushalte zukommen. Laut Eul würde es sich dabei aber nur um wenige Euro pro Jahr handeln. Beim Bremer Energieversorger SWB rechnet man mit „geringfügigen“ Preissteigerungen durch die Umstellung.

Der Bund der Energieverbraucher erwartet dagegen keine Erhöhung. „Die Gaseinkaufspreise sind in den letzten Jahren stark gesunken, doch das wurde an die Kunden nicht weitergegeben. Die Margen der Netzbetreiber sind so hoch, dass sie es gar nicht nötig haben, die Umstellungskosten auf die Verbraucher umzulegen“, sagt Aribert Peters, Chefredakteur der Verbandszeitschrift Energiedepesche.

Auf die künftigen Verbrauchskosten soll die Umstellung keinen Einfluss haben. Zwar ist H-Gas teurer als L-Gas, durch den höheren Energiegehalt wird aber weniger H-Gas verbraucht, sodass die Kosten laut Gerow unter dem Strich gleich bleiben.

Erhebliche Kosten

Dennoch könnten auf einige Gaskunden erhebliche finanzielle Belastungen zukommen. Die Bundesnetzagentur rechnet damit, dass bei der Umstellung in ein bis fünf Prozent aller Fälle die bisherigen Gasgeräte aus technischen Gründen nicht umgestellt werden können und eine Neuanschaffung nötig wird.

„Das wird vermutlich vor allem Verbraucher mit alten Herden, Heizungen oder Warmwasserzubereitungsgeräten treffen, die sich neue nicht leisten können. In diesen Fällen wäre es angebracht, dass sich die Versorger an den Kosten beteiligen“, sagt Aribert Peters.

Wer solche finanziellen Sorgen nicht kennt, dem empfiehlt Gerrit Volk, Referatsleiter bei der Bundesnetzagentur: „Kunden, die sowieso in nächster Zeit ihre Geräte austauschen wollen, könnten darauf achten, dass das neue Gerät selbstadaptierend ist.“ Das heißt, dass der neue Gasbrenner die Gasqualität automatisch erkennt und selbsttätig die Brennereinstellung ändert.