Die Kairo-Hannover-Connection

POLIT-PARABEL Mohamed Diabs Spielfilm „Clash“ beschäftigt sich mit der Spaltung der ägyptischen Gesellschaft. Mitfinanziert hat ihn die bremisch-niedersächsische „Nordmedia“. Nun läuft er beim Filmfest Osnabrück

Klaustrophobisches Setting: Den ganzen Film lang verlässt die Kamera den Gefängniswagen nicht Foto: Unabhängiges Filmfest Osnabrück

von Wilfried Hippen

Dass sich eine der hiesigen Filmförderanstalten mit Oscar-Glamour schmücken kann, ist selten. In diesem Jahr aber kann die „Nordmedia“, die gemeinsame Institution Bremens und Niedersachsens, immerhin auf einen Kandidaten für den Auslands-Oscar verweisen, an dessen Zustandekommen sie beteiligt war: Mohamed Diabs Spielfilm „Clash“, der schon bei den Festspielen in Cannes der Eröffnungsfilm der Sektion „Un Certain Regard“ war.

50.000 Euro Fördersumme – angesichts eines Gesamtbudgets von etwa 1,5 Millionen waren die Norddeutschen nur ein kleiner Partner. Doch werden solche internationalen Co-Produktionen üblicherweise aus vielen kleinen Geldsäcken finanziert. Ein Nebeneffekt der Nordmedia-Beteiligung: Zu sehen ist „Clash“ nun auf dem – ebenfalls geförderten – Unabhängigen Filmfest Osnabrück, das noch bis einschließlich Sonntag dauert.

Er konkurriert gar um den „Friedensfilmpreis“ der Stadt Osnabrück. Der ist mit mit 12.500 Euro dotiert und wird seit 2002 an einen Spiel- oder Dokumentarfilm, der „seine ästhetischen Qualitäten in hervorragender Weise mit humanem Denken und sozialem Engagement verbindet“. Bisher nahmen die Jurys diese pazifistische Ausrichtung durchaus ernst. So prämierte man 2006 den ebenfalls in Cannes gezeigten und dort mit der Goldenen Palme prämierten „The Wind That Shakes The Barley“ von Ken Loach nicht – einen Film über die Gründung der irischen Terror-Organisation IRA.

Dagegen hat „Clash“ eine unproblematischere humane Botschaft und betrachtet Ägyptens verfeindete politische Lager mit demselben Blick. Auch seine „ästhetischen Qualitäten“ sind unbestreitbar: Mohamed Diab, Regisseur und Drehbuchautor, gelingt es ein umfassendes Porträt der ägyptischen Gesellschaft zu zeichnen – aber er beschränkt sich auf einen einzigen, klaustrophobisch engen Spielort: 97 Minuten lang verlässt die Kamera nie diesen einen Gefängniswagen, der so zur zentralen Metapher wird für das Ägypten des Jahres 2013.

In der mobilen Zelle mit vergitterten Fenstern sammeln die Militärs an einem Tag mit blutigen Auseinandersetzungen die Demonstranten und Passanten auf, willkürlich verhaftet: anfangs zwei Journalisten, dann Anhänger der Demokratiebewegung, irgendwann auch Muslimbrüder. Die verschiedenen Lager gehen erst aufeinander los, aber bald merken alle, dass die wahre Bedrohung von außerhalb kommt. Denn der Polizeiwagen folgt dem Einsatz der Militärs, wird eine Zeit lang von Demonstranten belagert und erobert, gerät in einen Schusswechsel mit einem Heckenschützen und fährt in immer chaotischere Zustände hinein. Hilflos sehen die Eingepferchten zu, als auf den Straßen Menschen sterben und irgendwann haben ihre unterschiedlichen politischen und religiösen Überzeugungen schlicht keine Bedeutung. Ein Film, der als politische Parabel funktioniert, aber genauso als spannender Thriller.

Ein Film, der als politische Parabel funktioniert, aber genauso als spannender Thriller

Eine der beteiligten Produktionsfirmen ist die deutsche „NiKo Film“. Gründerin Nicole Gerhards hat sich auf komplizierte, multinationale Finanzierungen spezialisiert und hatte auch mit der Nordmedia schon ein paar Mal erfolgreich zusammengearbeitet. Vor einem Jahr schlug sie deren Betriebsleiter für Film- und Medienförderung Jochen Coldewey das Projekt „Clash“ für eine kleine Förderung vor. Coldewey war interessiert und man einigte sich zuerst auf eine Fördersumme von 80.000 Euro, die später sogar noch auf 50.000 Euro gesenkt wurde. Nun muss bei solchen Arrangements das zugeschossene Geld auch wieder in den Ländern ausgegeben werden, aus denen es kam – bloß waren Drehorte in Niedersachsen oder Darsteller aus Bremen in diesem Fall keine Option.

Trotzdem rechnet Coldewey damit, dass mindestens 60.000 Euro im Nordmedia-Territorium ausgegeben werden. Ursprünglich geplant war, dass die Postproduktion der Tonspur in Niedersachsen und/oder Bremen gemacht werde. Als sich die Dreharbeiten immer mehr hinzogen, der Film aber, rechtzeitig für Cannes, in diesem Frühjahr fertig sein musste, wurde die Postproduktion nach Paris vergeben – der Fernsehsender Arte ist ein deutlich potenterer Koproduzent mit einer besser ausgebauten Infrastruktur.

So bleibt für die Hamburger Soundbase Studios, die in Seevetal bei Maschen eine Dependance haben, die Arbeit an der deutschen Synchronisation des Films, die aber noch in der Vorbereitung steckt. Tatsächlich schon Geld verdient hat an dem Film Cinegate in Hannover: Der Verleiher technischer Geräte für Filmproduktionen stellte für „Clash“ vor allem eine hochmoderne und teure Kamera bereit, sehr klein und umso besser geeignet für Aufnahmen in engen Räumen. Und weil die Dreharbeiten länger dauerten als geplant, wuchsen damit auch die Leihgebühren an – so wird die Nordmedia-Rechnung wohl aufgehen.

„Clash“ (arab. OmeU): Samstag, 20 Uhr, Osnabrück, Lagerhalle

www.filmfest-osnabrueck.de