16 Länderchefs gegen Merkel

NPD-VERBOT Ministerpräsidenten der Länder setzen Bundesregierung unter Druck, sich einem Verfahren gegen die NPD anzuschließen

■ Vor einer Gedenkminute für die Opfer der NSU-Terrorzelle im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat die NPD-Fraktion demonstrativ den Saal verlassen. Zuvor war der Chef der Fraktion, Udo Pastörs, am Donnerstag bereits von der Sitzung ausgeschlossen worden, weil er sich abfällig über einen aus dem Irak stammenden Linke-Abgeordneten geäußert hatte. Der Landtag sprach den Angehörigen und Freunden der zehn NSU-Mordopfer seine Solidarität aus. (dpa)

VON WOLF SCHMIDT

BERLIN/ROSTOCK taz | Nach dem Treffen mit den Ministerpräsidenten der Länder wollte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstagabend erst einmal über angebliche Erfolge in Sachen Stromleitungen und Energiewende reden. Dabei hatten die Länderchefs ihr ein ganz anderes Thema aufgedrängt: das NPD-Verbot. Alle 16 Bundesländer hatten am Mittag entschieden, einen zweiten Anlauf zu einem Verfahren gegen die rechtsextreme Partei zu wagen. Schon in einer Woche wollen sie im Bundesrat einen entsprechenden Beschluss fassen.

Merkel geht das alles zu schnell. Sie betrachtet ein NPD-Verbot nach wie vor mit Skepsis. Sie nehme den Beschluss der Ministerpräsidenten vom Donnerstag zur Kenntnis, sagte sie am Abend im Kanzleramt schließlich trocken zu dem Thema. In der Bundesregierung sei die Meinungsbildung aber „noch nicht abgeschlossen“.

Am Mittwoch hatten die Innenminister der Länder in Rostock-Warnemünde empfohlen, einen neuen Anlauf zu einem Verbot der 6.000-Mitglieder-Partei zu nehmen. Lediglich zwei Länder wiesen in Protokollnotizen auf die Risiken des Verfahrens hin. Bei der anschließenden Pressekonferenz im Hotel Neptun am Ostseeufer standen aber weniger die Länderminister im Fokus, sondern vor allem der Bundesinnenminister, der bei diesen Treffen traditionell dabei ist. Wird sich die Bundesregierung jetzt dem Antrag der Länder anschließen? Und damit verhindern, dass die Demokraten im Kampf gegen den Rechtsextremismus zerstritten dastehen? Oder sagt der Bund – aus Überzeugung oder Angst vor einem zweiten Scheitern – Nein?

Trotz mehrfacher Nachfragen wollte sich Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) partout nicht festlegen. Er tat fast so, als sei er nicht Teil der Bundesregierung, sondern lediglich eine Art Berater des schwarz-gelben Kabinetts, der sowohl auf die Chancen als auf die Risiken hinweist. Einerseits, andererseits: das war Friedrichs Haltung in den vergangenen Wochen, und sie ist es auch nach dem Länderbeschluss geblieben. Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) ließ sich die Chance nicht entgehen und führte den neben ihm stehenden Friedrich am Mittwochabend vor. Ein „Herumwackeln“ sei nun nicht mehr möglich, befand er. Mehrere Ministerpräsidenten legten am Donnerstag nach und forderten den Bund auf, beim NPD-Verbot mitzumachen.

Fast drei Viertel der Bürger sind für ein Verbot der rechtsextremen Partei

Friedrich ist freilich nicht der Einzige in der Bundesregierung, der einem NPD-Verbot skeptisch gegenübersteht. Auch Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) ist nicht überzeugt – und eben die Kanzlerin, die am Donnerstag noch einmal von „rechtlichen Risiken“ sprach. Erst im ersten Jahresviertel 2013 wolle man entscheiden, ob sich auch der Bund einem Verbotsverfahren anschließt.

Das Abwarten war schon immer ein wichtiger Bestandteil von Merkels Politikstil. Sie lotet die Optionen aus, wägt ab, entscheidet oft erst sehr spät. Doch im Fall des NPD-Verbots scheint sie den richtigen Zeitpunkt verpasst zu haben – und wird nun von den Landesregierungen in die Defensive gedrängt.

Die Länder wissen die Mehrheit der Bevölkerung auf ihrer Seite: Fast drei Viertel der Bürger sind laut dem neuen „ARD-Deutschlandtrend“ für ein Verbot der rechtsextremen Partei.