Wo nicht nur Pflanzen blühen

Gartentherapie Der heilsame Umgang mit Pflanzen und Natur wird auch in einem anthroposophischen Kontext eingesetzt. In Wien gibt es einen Universitätslehrgang

Der Lehrgang Gartentherapie der Wiener Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik und der Donau-Universität Krems findet berufsbegleitend über vier Semester statt. Die Studiengebühr beträgt 7.000 Euro. Der Lehrgang gilt als Weiter-, nicht aber als volle Berufsausbildung und setzt einen Grundberuf aus den Bereichen Medizin, Therapie, Pädagogik, Gartenbau, Landwirtschaft oder Sozialarbeit voraus.

www.donau-uni.ac.at/gartentherapie

von Karin Chladek

„Willst du für eine Stunde glücklich sein, so betrinke dich. / Willst du für drei Tage glücklich sein, so heirate. / Willst du für acht Tage glücklich sein, so schlachte ein Schwein und gib ein Festessen. / Willst du aber ein Leben lang glücklich sein, so schaffe dir einen Garten.“

Diese Weisheit wird mal als japanisch mal als chinesisch bezeichnet. Dass sie zutrifft, werden viele bestätigen, die je einen Garten öfter besuchen und gestalten, gar ihr Eigen nennen konnten. Gärtnern macht glücklich. Das wird seit einiger Zeit auch therapeutisch eingesetzt – im Rahmen der sogenannten Gartentherapie.

In Wien bietet die Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik in Zusammenarbeit mit der Donau-Uni Krems schon seit 2006 einen Universitätslehrgang für Gartentherapie. Absolventen der viersemestrigen universitären Weiterbildung dürfen sich akademische/r ExpertIn für Gartentherapie nennen. Birgit Steininger, Leiterin des Lehrgangs, erklärt: „Unsere Zielgruppe sind ÄrztInnen, PhysiotherapeutInnen, ErgotherapeutInnen, Gesundheits-, Kranken- und AltenpflegerInnen, ausgebildete GärtnerInnen, Universitäts- und HochschulabsolventInnen des Studienzweigs Gartenbau, PädagogInnen, SozialarbeiterInnen, Kleinkind- und HortpädagogInnen.“

Das zieht Studierende aus dem ganzen deutschsprachigen Raum an. Etwa Silvia Jacoby. Die gelernte Fachschwester für Psychosomatik war schon beim ersten Pilotstudiengang vor zehn Jahren dabei. Nun setzt sie ihr Wissen in der Arbeit mit PatientInnen des anthroposophisch ausgerichteten Gemeinschaftskrankenhauses Herdecke im Ruhrgebiet ein. „Meine Begeisterung für Gartenarbeit fing früh an. Schon als Kind habe ich mich gern in der Natur aufgehalten und im Garten mit meiner Mutter gearbeitet. Im Garten zu arbeiten war für mich immer ein wunderbarer Ausgleich zum Alltag. Diese positiven Erfahrungen konnte ich in meine gartentherapeutische Tätigkeit übertragen“, erklärt Jacoby ihren Zugang.

Das Gemeinschaftskrankenhaus Herdecke hat bereits eine lange Tradition darin, Gartenarbeit therapeutisch einzusetzen. Jacoby erzählt: „Der Therapiegarten, in dem ich heute mit Patienten arbeite und der auch einen Bereich für die Jugendpsychiatrische Abteilung einschließt, war ursprünglich der Heilpflanzengarten. Seit der Gründung der Abteilung für Psychosomatische Medizin im Jahr 1984 sind gärtnerische Tätigkeiten ein fester Bestandteil des Behandlungskonzeptes. Ab 2001 habe ich im Rahmen meiner Pflegestelle die Aufgabe übernommen, mit den PatientInnen der Psychosomatischen Abteilung im Garten zu arbeiten. Im Jahr 2002 habe ich am ersten Kongress für Garten und Therapie im deutschsprachigen Raum in Bad Lippspringe teilgenommen. Dort war vor allem interessant, zu erfahren, in welchen Bereichen Gartentherapie schon eingesetzt wird. Es wurden Untersuchungen zur Wirksamkeit aus den USA und England vorgestellt. Mein Kontakt zu Gesellschaft für Gartenbau und Therapie (GGuT) ist dort entstanden. Als dann die Ausbildung in Wien angeboten wurde, habe ich mich sofort angemeldet.“

Neben dem klinischen Einsatz findet die Gartentherapie auch bei sozialen oder pädagogischen Projekten, in denen Tiere, Natur und Pflanzen eingesetzt werden (Green Care), Anklang. Nicole Prop von Green Care Österreich: „Gartentherapie hat einen fixen Platz im Rahmen von Green Care. Wir arbeiten eng mit dem Universitätslehrgang für Gartentherapie zusammen, wir bieten auch eine Schmalspurvariante für Gartentherapie oder -pädagogik an. Dabei setzen wir auf die Zusammenarbeit von „grünem“ und „weißem“ Bereich, also Landwirtschaft und dem sozialen Bereich: Bäuerinnen und Bauern betreuen zum Beispiel alte Menschen auf ihren Höfen, bieten ihnen die Möglichkeit, der Natur nahe zu sein und zu „garteln“. Das ist gleichzeitig ein Zusatzeinkommen für kleinbäuerliche Betriebe.“ Eine Win-ein-Situation also. Alte oder kranke Menschen können gärtnern und der Natur – wenn auch in ihrer domestizierten Form – näher kommen. Und sich dabei wohlfühlen. Kleine bäuerliche Betriebe erwirtschaften ein Zusatzeinkommen. So einfach ist das? Manchmal ja.

Eine Verbindung zwischen Gartentherapie und anthroposophischer Weltanschauung liegt nahezu auf der Hand. Birgit Steininger von der Wiener Hochschule für Agrar- und Umweltpädagogik bestätigt, dass besonders viele Demeter-Höfe Green Care, also die Betreuung von älteren oder chronisch kranken Menschen, anbieten und in diesem Rahmen auch Gartentherapie. Silvia Jacoby sieht die Verbindung im ganzheitlichen Menschenbild der Anthroposophie begründet: „Über das Erleben von Wachstums- und Veränderungsprozessen in der Natur bin ich an ein „großes Ganzes“ angeschlossen.“

Wenig kann das Erlebnis eines Gartens besser beschreiben.