GEHT’S NOCH?
: Franziskus’ Genderkritik

Der Papst spricht von einem „Weltkrieg, um die Ehe zu zerstören“. Und zeigt, dass er nicht der Reformer ist, für den ihn viele halten

Nur weil er in Slums gemeinsam mit den Armen isst, weil er Gefängnisinsassen mal die Füße gewaschen hat, weil er den Kapitalismus kritisiert und davon faselt, die Menschen sollten miteinander reden, statt sich anzukeifen, halten viele den Papst für den großen Reformer der katholischen Kirche.

Aber Franziskus ist ein harter Knochen. Nicht minder als die Päpste vor ihm. Er inszeniert sich medial nur besser: volksnah, offen, kommunikativ. Redet er aber frei, kommt so was raus wie jüngst in Tiflis. In der georgischen Hauptstadt hatte Franziskus im Gespräch mit Priestern und Ordensleuten Sätze gesagt wie: „Der große Feind der Ehe ist die Gendertheorie.“ Und: „Es gibt heute einen Weltkrieg, um die Ehe zu zerstören.“ Der werde nicht mit Waffen geführt, sondern durch eine „ideologische Kolonisierung“: „Die Ehe muss vor diesen Kolonisierungen verteidigt werden.“

Das war nicht das erste Mal, dass sich der Papst abfällig über Genderdiskurs und über LGBTI-Menschen geäußert hat. Nicht nur mündlich, auch schriftlich. In der „Amoris laetitia“ beispielsweise, dem Vatikanpapier zu Ehe und Familie, bescheinigt er der Gendertheorie, dass sie „den Unterschied und die natürliche Aufeinander-Verwiesenheit von Mann und Frau leugnet“, dass sie eine „Gesellschaft ohne Geschlechterdifferenz in Aussicht“ stelle und die „Grundlage für die Familie“ aushöhle.

Unabhängig davon, dass Franziskus nicht verstanden hat, was Gender will – nämlich vor allem die Gleichheit zwischen den Geschlechtern auf so­zia­ler und emanzipatorischer Ebene –, plädiert er mit seinen Worten für die Manifestation patriarchaler Machtverhältnisse. Wer so redet, ist alles andere als ein Revolutionär. Und nur weil der Papst mit Gender ein Wort benutzt, das aus einer neueren Zeit stammt, heißt das noch lange nicht, dass er selbst ein Erneuerer wäre.

Mit seiner Gender-„Kritik“ gesellt sich der Papst zu jenen, die eine neue Sportart entdeckt haben: Gender­bashing. Praktiziert von Leuten, die sich bedroht fühlen von Transgenderpeople, Unisextoiletten, Homoeltern, aufstrebenden Frauen, Teilzeit arbeitenden Männern. Hat jemand was anderes erwartet? Nicht doch! Nicht vom Oberhaupt eines Ladens, der vor allem eines pusht: die Karrieren alter Männer. Simone Schmollack