Schusswaffe statt Messer bei tödlichem Angriff

Israel Palästinensischer Täter hätte eigentlich eine mehrmonatige Haftstrafe antreten sollen

JERUSALEM taz | Kaum vier Minuten reichten dem Attentäter aus Ostjerusalem, um eine Frau und einen Polizisten zu töten sowie fünf weitere Menschen zu verletzen, bevor er selbst erschossen wurde. Kurz nach zehn Uhr am Sonntagfrüh eröffnete der 39-jährige Palästinenser das Feuer aus seinem Wagen auf Passanten, verletzte eine Frau lebensgefährlich und prallte anschließend auf ein anderes Auto. Dann setzte der Attentäter seine Fahrt Richtung Stadtzentrum fort, bis ihn israelische Grenzsoldaten stoppten. Der Zwischenfall ereignete sich unweit vom Jerusalemer Polizeihauptquartier. Bei dem Schusswechsel wurden der Angreifer und ein Polizist erschossen. Eine 60-jährige Israelin erlag kurze Zeit nach dem Überfall ihren Schussverletzungen.

Das Attentat unterscheidet sich nicht nur aufgrund der Waffenwahl des Terroristen von den üblichen Messerattacken. Der Palästinenser aus dem Ostjerusalemer Viertel Silwan war im Besitz eines israelischen Ausweises und den Behörden bekannt. Er hätte am Sonntagfrüh eine viermonatige Haftstrafe antreten sollen. Die Polizei verhängte ein Veröffentlichungsverbot.

Nichtsdestotrotz nannte die palästinensische Nachrichtenagentur Maan den Namen des Attentäters unter Berufung auf „lokale Quellen“: Misbah Abu Sbeih. Maan zitierte aus einem Interview mit dem Täter. Grund für die Haftstrafe sei „Beamtenmisshandlung und -beleidigung“ gewesen. Der israelische Hörfunk nannte seine Zugehörigkeit zur Hamas und Aufrufe zur Gewalt als Gründe für die Verurteilung. Ein Sprecher der islamistischen Führung im Gazastreifen lobte den Anschlag, der eine „natürliche Reaktion auf die Verbrechen der Besatzung gegen die Palästinenser und die Al-Aksa-Moschee“ sei.

Die Serie der meist mit Messern von Einzeltätern verübten Gewalttaten begann vor einem Jahr während der Feiertage, die gläubige Juden gern nutzen, um zur Klagemauer in Jerusalems Altstadt zu pilgern. Von Jahr zu Jahr besuchen mehr nationalreligiöse Israelis auch den Tempelberg, was viele Palästinenser als Provokation empfinden. Die Nachrichtenagentur Maan beziffert Abu Sbeih als „232. Palästinenser“, der seit Beginn der Terrorwelle „von Israelis getötet wurde“. Im gleichen Zeitraum „wurden 32 Israelis von Palästinensern getötet“. Susanne Knaul