Zwölf Jahre Haft für Menschenrechtsanwalt

CHINADie Behörden gehen weiter mit aller Härte gegen Rechtsanwälte von Bürgerrechtlern vor

Die Frau des Künstlers Ai Weiwei 2011 mit seinem Anwalt Xia Lin Foto: ap

PEKING taz | Die Hoffnungen waren groß, als Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping vor zwei Jahren beim 4. Plenum des Zentralkommitees „Rechtsstaatlichkeit“ zum Thema machte. Der Rechtsstaat sei Grundlage für einen modernen funktionierenden Staat, hieß es im Abschlusskommuniqué. Die Achtung der Menschenrechte war explizit erwähnt. Einige Anwälte nahmen dies wohl zu wörtlich. Sie sitzen inzwischen in Haft.

Nach einer Welle von Verhaftungen und Verurteilungen von Anwälten trifft es nun auch den Bürgerrechtsanwalt Xia Lin. Ein Gericht in Peking verurteilte ihn am Donnerstag zur außergewöhnlich hohen Strafe von zwölf Jahren Haft. Wegen Betrugs, heißt es. Menschenrechtsorganisationen halten das für vorgeschoben. Sie glauben, die Behörden hatten Xia auf den Kieker, weil er Aktivisten verteidigt hat, die nicht genehm sind. Der 46-Jährige hatte unter anderem Ai Weiwei verteidigt.

Im Urteil heißt es, Xia habe sich Geld von Firmen und Personen geliehen und dann veruntreut. Der Organisation Chinese Human Rights Defenders (CHRD) zufolge habe sich Xia lediglich Geld von Freunden geliehen. Sie hätten ihm zu keiner Zeit etwas vorgeworfen. Das Urteil sei „eine schwere Vergeltung gegen einen Verfechter der Menschenrechte, der die Rechtsstaatlichkeit verteidigt und die Regierung herausforderte“, erklärte CHRD. Bei dem Prozess sei gegen grundlegende Rechte des Angeklagten verstoßen worden.

Im Visier der Behörden steht Xia schon länger. Er hatte unter anderem den Aktivisten Guo Yushan verteidigt, der 2012 dem blinden Bürgerrechtler Chen Guancheng bei seiner spektakulären Flucht in die US-Botschaft geholfen hatte. Die damalige US-Außenministerin Hillary Clinton setzte sich persönlich für Chen ein. Chinas Regierung willigte nach heftigem diplomatischem Gerangel zwar ein, empfand den Vorfall aber als Gesichtsverlust. Als Xia vor zwei Jahren Sympathisanten der Hongkonger Demokratiebewegung Beistand leistete, wurde er erstmals selbst festgenommen.

Er ist nicht der einzige Menschenrechtsanwalt, gegen den die Behörden hart vorgehen. Vor einem Jahr nahmen sie mehr als 300 Anwälte, Angehörige und ihre Mitarbeiter fest – laut Human Rights Watch eine der größten Verfolgungswellen gegen eine einzelne Berufsgruppe seit Jahrzehnten in China. Vier von ihnen wurden im August zu Bewährungs-, teilweise auch langen Haftstrafen verurteilt. Weitere knapp zwei Dutzend sind noch in Haft. Urteile gegen sie werden in den kommenden Wochen erwartet. Felix Lee