Lastenräder liefern Pakete sauber

MOBILITÄT Neue Dienste bieten umweltverträgliche Zustellungen. Aber Lagerhallen und Transportvolumen fehlen, um aus der Nische zu kommen

BERLIN taz | Ob wegen versperrter Fahrradwege oder verstopfter Straßen: Paketlieferwagen sind oft ein Ärgernis. Aber nicht für Nick Blake. Der Schweizer hat nämlich mit Imagine Cargo einen nachhaltigen Paketdienst gegründet, der sich auf die Auslieferung via Bahn und Fahrrad spezialisiert hat. Seinem Geschäft kommt es zugute, wenn Laster nur langsam vorankommen. In Österreich, der Schweiz und Deutschland flitzt seine Fahrradflotte ohne Probleme durch Großstädte. In Berlin, wo er mit Kurierdiensten wie Velogista und Fahrwerk zusammenarbeitet, liefern etwa 40 Fahrer rund 115 Aufträge pro Tag aus. Die Kuriere sind ausgestattet mit modernen Elektrolastenrädern, mit denen sogar eine Waschmaschine transportiert werden kann. Das Ziel von Imagine Cargo: klimafreundlich liefern.

Die Zahl der Paketauslieferungen in Deutschland hat sich in den letzten Jahren massiv erhöht. Im Jahr 2015 wurden in Deutschland 2,95 Milliarden Paketsendungen verschickt – 5,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Bis 2020 sollen es sogar 3,8 Milliarden sein. An der Umwelt geht das nicht spurlos vorbei. „Ein Truck emittiert schon allein auf dem Weg vom Lager zum Flughafen etwa ein Kilo Kohlendioxid“, erklärt Nick Blake, „Mit unseren Fahrradkurieren können wir das auf ungefähr 200 Gramm reduzieren. Wenn die Fahrer ein veganes Frühstück hatten, halbiert sich der CO2-Ausstoß sogar noch.“

Bisher wird der nachhaltige Zustelldienst vor allem innerstädtisch genutzt. Die Kunden sind in der Regel überzeugt vom Nachhaltigkeitskonzept oder angewiesen auf möglichst schnelle Lieferungen: In Berlin zum Beispiel die Samenbank, Druckereien und Biosupermärkte. Aber auch Privatpersonen, die nicht wissen, wie sie zum Beispiel einen neu gekauften Sessel vom Möbelhaus nach Hause bringen sollen, melden sich bei Imagine Cargo. Die Möglichkeit, Pakete fast klimaneutral zu liefern, ist neu. Bisher bestehen die grünen Aktivitäten der Dienstleister aus Klimaschutzprojekten, mit denen die entstandenen CO2-Emissionen kompensiert werden sollen.

Während die Großen noch testen, sind Unternehmen wie Imagine Cargo schon Experten auf ihrem Gebiet. Sie hoffen jetzt, dass große Unternehmen bald auf sie angewiesen sind. Ein erster Schritt in diese Richtung ist mit Amazon Prime getan. Der Onlinegigant bietet Zustellungen innerhalb von zwei Stunden an, davon sollen in Berlin 20 Prozent mit Cargobikes zugestellt werden. Servicepartner sind die Kurierdienste Go! und InterKEP.

Ist das schon ein Zeichen für den Wandel? Max Thinius vom Bundesverband E-Commerce und Versandhandel Deutschland warnt vor zu viel Euphorie: „Um einen relevanten Anteil am Markt zu haben, muss die Cargobike-Branche schnell im innerstädtischen Bereich wachsen.“ Da ergebe es Sinn. Darüber hinaus aber seien die bestehenden, großen Systeme so gut optimiert, dass sie einfach viel günstiger und damit attraktiver für Unternehmen seien.

Doch auch wenn die Zustellung durch Lastenfahrräder günstiger wird, gibt es noch ein ungelöstes Problem: die Lagerung der Pakete. Um deutlich mehr Waren auszuliefern, müssten im Innenstadtbereich große Lagerhallen bereitgestellt werden. Derzeit ist das nur vereinzelt der Fall – wie bei Amazon Prime in Berlin. „Das Problem ist doch auch, dass die Lastenräder – auch wenn sie mehr werden – noch immer nur eine sehr kleine Menge an Paketen ausliefern können“, zweifelt Max Thinius weiter. „Cargobikes können sehr gut die Expressfahrer und die innenstädtischen kurzzeitigen Zulieferungen ersetzen; die Massenzustellung sehe ich mit ihnen aufgrund der fehlenden Transportkapazitäten aber nicht.“ Madeleine Hofmann