Polen müssen in die Stichwahl

Die Sieger bei der Präsidentschaftswahl müssen noch mal antreten. Der Wahlmarathon endet erst in zwei Wochen

WARSCHAU taz ■ „Dies ist der wichtigste Tag in meinem Leben“, freute sich Donald Tusk, 48, von der konservativ-liberalen Bürgerplattform (PO). „Der Sieg. Das ist der Sieg“, jubelte er. Doch diese Wahl zum Präsidenten Polen hat noch nichts endgültig entschieden. Notwendig ist die absolute Mehrheit der Stimmen. Am 23. Oktober muss er daher noch einmal antreten. Erst in der Stichwahl zeigt sich, ob Tusk es geschafft hat oder ob nicht doch sein Rivale, der Oberbürgermeister Warschaus Lech Kaczynski, 56, das Rennen macht. Am Sonntag trennten sie nur 3,1 Prozent voneinander. Tusk erhielt 36,3 Prozent aller Stimmen, Kaczynski 33,1 Prozent. „Die paar Prozentpunkte hole ich im zweiten Wahlgang spielend auf“, erklärte Kaczynski prompt. „Die Vision eines solidarischen Polens ist für Millionen polnischer Familien viel attraktiver als die Vision eines liberalen Experiments.“ Kaczynski will mit seinem Zwillingsbruder Jaroslaw eine „IV. Republik“ ausrufen. Die Kaczynskis sind Gründer rechtspopulistischen Partei „Recht und Gerechtigkeit“ (PiS), die vor zwei Wochen die Parlamentswahlen gewann.

Entscheidend für den Ausgang der Stichwahl in zwei Wochen ist nicht nur die Wahlkampftaktik der beiden Rivalen, sondern auch die Wahlbeteiligung der Bürger. Am Sonntag stimmte nicht einmal jeder zweite Pole ab. Es ist die niedrigste Wahlbeteiligung in der Geschichte der polnischen Präsidentschaftswahlen. Tusk von der konservativ-liberalen Bürgerplattform hat es schwerer, seine Klientel zu mobilisieren. Denn ihm und seinen Anhängern geht es nicht darum, etwas oder jemanden zu bekämpfen. Er will vielmehr ein Polen schaffen, in dem es sich für alle gut und auskömmlich leben lässt. Nach einer Kommunistenhatz steht ihm nicht der Sinn, auch wenn er im Wahlkampf Zugeständnisse an die PiS machen musste, mit der seine Partei in zwei Wochen zusammen regieren will.

Tusks Wähler sind vor allem Städter. Sie sind jung und gut ausgebildet. Es sind die Gewinner der Transformation. Kaczynskis Wähler hingegen sind die Transformationsverlierer. Arme Dorfbewohner, schlecht ausgebildete Arbeiter und Angestellte, die Angst vor der Zukunft haben und für ihre schlechte Situation „die Kommunisten“ verantwortlich machen, Ausländer oder korrupte Politiker.

GABRIELE LESSER