Berliner Szenen
: Auf schmalen Bänken

Super sitzen

„Okay, das ist komisch“, denk ich und mustere die Bank

Monatelang hab ich gesucht und dann endlich gefunden: ein Restaurant, das nicht teuer ist; ein Restaurant, wo’s mir schmeckt; ein Restaurant, wo ich ganz gerade sitze am Tisch. Denn schief und krumm sitze ich sonst schon beim Schreiben den ganzen Tag. Ich hab alles versucht: Supertisch, Superstuhl, Superkissen, sogar’nen Sitzball einmal. Den haben dann meine Katzen zerfetzt, aber das war nicht schlimm, weil auf dem Ding saß ich auch wie’ne Sechs und nicht wie’ne Eins.

Und dann hab ich den Vietnamesen entdeckt: Superpreis, Superessen, superschmale Bänke. Auf die passt grad mal der Po drauf, da kann man nicht rutschen, den Hintern nach vorn schieben und die Wirbelsäule auch in der Mittagspause ganz falsch belasten. Super ist das.

Super war das, genauer ­gesagt. Denn jetzt sitze ich und merke, dass mein Po rutscht, ganz doll sogar , nach vorne. Ich schieb mich zurück, lehne mich an – ganz gerade einen Moment. Ich atme durch – aber schon rutsche ich wieder: Arsch halb unterm Tisch, Rücken krumm. „Okay, das ist jetzt komisch“, denk ich und mustere die Bank unter mir.

„Breiter!“ Der Restaurantbesitzer kommt rüber, grinst, weist auf die Bank, dann auf seinen Po – einen sehr dünnen Po. Und an dem hat er die nötige Tiefe der Bänke ursprünglich gemessen, wie er mir jetzt erklärt. „Nur sind die Leute hier dicker als ich.“ Er lacht. „Aber jetzt: breiter! Kein Problem mehr!“

Doch, denke ich. Ein großes Problem sogar. Denn wie soll ich, bitte sehr, gerade sitzen, wenn mein Po Platz zum Rutschen hat? Ich seufze.

Er seufzt auch. „Die leider noch nicht.“ Er weist auf eine Bank gleich neben der Tür.

„Noch schmal?“, frage ich und gehe sofort rüber. „Toll!“ Und dann sitze ich wieder, ganz gerade, atme tief durch und hoffe, dass es noch etwas dauert, bis auch die Bank hier dran ist. Solange mindestens, bis ich das nächste Restaurant gefunden habe mit Superpreis, Superessen und superschmalen Sitzen. Joey Juschka