Mal ehrlich, wen wählen Sie?

Berlin-Wahl Wir haben prominente BerlinerInnen gefragt, wo sie am Sonntag ihre Kreuze machen

Berliner Farbenlehre: Was wird wohl aus Rot, Grün und Rot? Foto: Sandeep Kumar/getty images

Clemens Schick

Foto: dpa

„Ich wähle die SPD. Berlin war vor 15 Jahren eine Stadt, die von der CDU ruiniert war. Die Bankenkrise war nur das Finale. Unter der SPD wurden die Finanzen Berlins so saniert, dass jetzt wieder aktiv gestaltet werden kann. Berlin hat erst unter Wowereit und jetzt unter Müller ein Profil bekommen, das es zu einer der attraktivsten Städte der Welt gemacht hat.

Die SPD ist für mich die einzige Partei, welche die ganze Bandbreite dieser Stadt, welche die Interessen von Bewohnern aus Lichtenberg bis Zehlendorf, vertritt. Undogmatischer als die Grünen, realistischer als die LINKE, mit sehr viel klügeren Köpfen als die der CDU. Die SPD ist für mich die Partei, die sich dem Populismus am deutlichsten entgegenstellt und für eine freie Gesellschaft eintritt.“

Clemens Schick, Schauspieler, aktueller Film „Stille Reserven“

Klaus-Dieter Teufel

Foto: privat

„Ich wähle dieses Mal die Linkspartei, weil sie unter den Parteien die letzte Bewahrerin der klassischen sozialen Marktwirtschaft ist, so wie ich sie als Unternehmer kennen und schätzen gelernt habe. Alle anderen Parteien sind ja seit Jahrzehnten in verschiedenen Regierungen daran beteiligt, das Soziale unserer Wirtschaft systematisch herunterzufahren. Hartz IV, Rente mit 67, Tarifpolitik, Steuerfragen: Alles, was früher solidarisch geregelt war, wird ausgehebelt! Das ist aus Arbeitgebersicht ein Problem, vor allem für viele Mittelständler, die auch für regionale Märkte produzieren – denn im Prinzip wird heute die gesamte Sozialpolitik an den Interessen der weltweit agierenden Konzerne ausgerichtet!

Auch in Berlin sehen wir, dass in den großen Sektoren der Wirtschaft wie zum Beispiel Wohnungsmarkt, Verkehr, Gesundheit der Staat eine entscheidende Rolle spielt. Das alles regelt der Markt eben nicht allein, diese Ideologie ist am Ende! Und die Linkspartei ist die Einzige, die sich zu dieser zentralen Rolle des Staates bekennt.

Natürlich bin ich nicht mit allem einverstanden, was in ihrem Programm steht. Ich habe Bauchschmerzen mit der Idee der Vermögenssteuer – die geht ans Eigentum und wird auch längst nicht so viel bringen wie erhofft. Aber an diesem Punkt weichen alle Parteien aus.“

Klaus-Dieter Teufel, Ex-Geschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg

Heinrich Strößenreuther

Foto: Norbert Michalke

„Ich wähle grün, weil die Grünen am meisten für das Thema Radverkehr stehen. Wir werden ihnen nach der Wahl aber auf die Finger schauen, dass sie nicht zu sehr mit der SPD kuscheln. Schön wäre es, wenn es unter den Sozialdemokraten mehr Fahrradgenossen als Auto-Sozis gäbe.“

Heinrich Strößenreuther, Organisator der Initiative für einen Fahrrad-Volksentscheid

Dirk Stegemann

Foto: Gabriele Senft

„Wählen ist eine der wenigen direkten Beteiligungsmöglichkeiten, die wir haben, deshalb ist Nichtwählen keine Option. Nichtwählen stärkt auch die Rechten. Insofern gehe ich zur Wahl, werde mir die Entscheidung aber bis zum Sonntag offen halten. Ich schwanke dazwischen, den Stimmzettel ungültig zu machen oder eine der linken Parteien zu wählen. Das Problem ist, dass all das, was ich von den Parteien gelesen habe, gegen die von der Politik selbst verursachten sozialen Fehlentwicklungen und gegen die AfD zu kurz greift. Ich erwarte mehr Mut, einen radikalen Richtungswechsel. Die Wahlversprechen halbieren sich doch mit den Koalitionsvereinbarungen und dann noch mal bei der Umsetzung. Deshalb streiche ich vielleicht die ganze Liste durch.“

Dirk Stegemann, linker Aktivist

Diana Henniges

Foto: dpa

„Ich weiß noch nicht, wen ich wählen werde, und will erst im letzten Moment entscheiden. Es ist schwierig, sich auf eine Partei festzulegen, denn wir haben bei Moabit hilft im letzten Jahr mit Einzelpersonen unterschiedlicher Couleur gute Erfahrungen gemacht: Hakan Taş von den Linken ist sehr engagiert in der Flüchtlingspolitik, ebenso Canan Bayram von den Grünen und Fabio Reinhardt von den Piraten.

Auch hier im Bezirk Mitte gibt es gute Leute: Mit Tilo Siewer von den Grünen sind wir sehr zufrieden, aber auch Bezirksbürgermeister Christian Hanke hat uns viele Monate lang sehr zur Seite gestanden, was von einem SPDler nicht unbedingt zu erwarten war. Dann gibt es noch Stephan Rauhut, der als Parteiloser bei den Linken antritt. Der ist ebenfalls gut, aber es stört mich, dass er Pfarrer ist – und ich bin schon für eine strikte Trennung von Staat und Kirche.

Auf Landesebene ist es noch schwieriger: Klar teile ich viele Vorstellungen der Linkspartei, aber mich stört, dass sie immer nur Forderungen formulieren – mehr sozialen Wohnraum, mehr dies, mehr das – und wenig Lösungsansätze bieten. Außerdem haben die Linken ja lange mitregiert in Berlin und damals viel Mist gemacht, gerade in puncto Wohnungspolitik.

Den Grünen nehme ich übel, dass sie für das Integrationspaket gestimmt haben und für die Ausweitung der sicheren Herkunftsländer‘. Das ist zwar Bundespolitik, aber wer weiß, was sie alles auf Landesebene mittragen würden? Also, ich bin kein Protestwähler – aber ich bin fast gewillt, ,Die Partei‘ zu wählen. Mal schauen!“

Diana Henniges, Gründerin und Chefin von Moabit hilft

Wladimir Kaminer

Foto: dpa

„Wen ich wähle? Gute Frage. Merkel hat es ja geschafft, die pechschwarze CDU weißzuwaschen, sie ist sozialer als die SPD, grüner als die Grünen. Alles Rechte ist bei der AfD gelandet. Die CDU ist auf jeden Fall wählbar geworden. Aber Merkel braucht meine Stimme nicht, die schafft das auch ohne mich.

Ich wähle ja gerne kleine Parteien, wegen der Vielfalt. Die Piraten haben sich leider in Vergessenheit gespielt. Die Grünen waren bei uns im Viertel sehr präsent, Ramona Pop und Andreas Otto haben uns auf der Straße angesprochen und gefragt, wie es uns geht. Meine Tochter war schon beinahe so weit, grün zu wählen. Aber ihre Freundinnen und Freunde haben ihr abgeraten, das sei doch eine Kriegstreiberpartei. Ich war gerade bei einem Dreh, die Leute vom Filmteam haben gesagt, sie werden ,Die Partei‘ wählen. Ich war baff. Ich sage, Leute, gebt den Grünen noch eine Chance, das war doch nur ein Krieg!

Meine russischen Freunde, die oft sehr vernünftig über Politik reden, haben beim Wahlomat AfD rausgekriegt. Sie waren selbst erschrocken. Alle, die im Sozialismus aufgewachsen sind, haben nicht diesen westlichen Sinn für Gerechtigkeit. Kostenlose Kita? Wollen sie nicht, bei ihnen früher war ja auch alles kostenlos und scheiße.

Tja, und ich? Ich wähle wohl doch die Grünen, sie waren nett auf der Straße, ich gebe ihnen noch mal eine Chance.“

Wladimir Kaminer, Autor, aktuelles Buch: „Meine Mutter, ihre Katze und der Staubsauger. Ein Unruhestand in 33 Geschichten“

Sabine Werth

Foto: Dietmar Gust

„Ich wähle grün, wie immer. Schon allein, damit die Grünen gegen die AfD nicht so abschmieren. Die AfD hat sich ja die Gruppe der Nichtwähler geschnappt. Ich war nie der Meinung, dass die Grünen eine gute Regierungspartei wären, aber für die Opposition sind sie optimal, sie erheben laut ihre Stimme.

Ich habe mir kurz überlegt, SPD zu wählen, aber ich bleibe mir doch treu.“

Sabine Werth, Chefin der Berliner Tafel

Günter Piening

Foto: privat

„Ich wähle dieses Mal die Linke, damit die CDU wieder in die Opposition kommt. Fünf Jahre mit Henkel und Czaja waren für das demokratische, weltoffene Berlin eine Katastrophe. SPD und Grüne aber haben das Kokettieren mit rot-schwarz-grünen Konstellationen nie wirklich aufgegeben. Die Stimme für die Linke ist eine sichere Bank gegen weitere CDU-Jahre.

Auch inhaltlich steht mir die Linke inzwischen näher. Berlin boomt – aber nicht für alle. Die Privatvermögen wachsen und wachsen – die Infrastruktur verrottet, die Zahl der Abgehängten und Armen steigt. Sicher, alle Parteien links von der Mitte reden von der sozialen Frage. Die SPD …? Na ja, die ist immer nur so gut wie ihr Koalitionspartner. Und die Grünen sind inzwischen eine Art Wundertüte – da findet sich alles von neoliberalen Konzepten bis hin zu linken Ansätzen. Welche Politik am Ende herauskommt, ist ungewiss. Gewiss ist nur, dass nach der Entmachtung von Trittin die Kretschmannisierung der Partei voranschreitet.

Die soziale Frage und Politiken gegen die Spaltung waren und sind die Kernkompetenz der Linken. Spielräume für eine Umverteilung von oben nach unten sind da – sie wirklich zu nutzen, dazu braucht es eine starke Linke in einer rot-rot-grünen Koalition. Eine solches Mitte-links-Bündnis ist auch die einzige richtige Antwort auf den Rechtsruck in Deutschland. Die Linke hat im Kampf gegen Rassismus und Rechtspopulismus immer harte Kante gezeigt, auch wenn es ihr in ihrer Wähler*innenschaft nicht immer Vorteile gebracht hat. Sie weiß um den Zusammenhang zwischen wachsendem Rassismus und neoliberaler Politik und bietet hier glaubwürdige Konzepte an.“

Günter Piening, ehemaliger Integrationsbeauftragter des Senats