Porträt
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Kommt selbst vom Hof: Pastorin Ricarda Rabe Foto: privat

Pastorin mit Forke

Gerade erst hat sie zum Dialog aufgerufen, und schon möchte man mit ihr streiten. Denn Ricarda Rabe weigert sich nicht nur, ein Bekenntnis zur ökologischen Landwirtschaft abzugeben. Sie plädiert auch ausdrücklich für den Erhalt von Schlachtbetrieben. „Natürlich ist das nichts, was man sich jeden Tag angucken will“, sagt sie. „Aber ich bin froh, das es Menschen gibt, die diese Arbeit tun, damit ich weiterhin ein Stück Fleisch essen kann.“

Die 49-Jährige ist Landwirtschafts-Pastorin der Hannoverschen Landeskirche und sagt, sie habe mehrere große Schlachthöfe besichtigt, ohne Missstände zu finden. Und auch wenn es Ausnahmen gebe: „Meist wird sehr genau überlegt, wie man das Tier so töten kann, dass es wenig Angst und Stress erlebt.“

Auch mit der Bibel fühlt sich die Theologin nicht in Konflikt. Zwar sei das Tier nicht eigens geschaffen worden, um vom Menschen gegessen zu werden, räumt sie ein. Aber im Alten Testament stehe: „Alles, was sich regt und lebt, das sei eure Speise.“

Diese Haltung erklärt sich daraus, dass Rabe selbst vom Bauernhof stammt. In einem Dorf bei Bremen aufgewachsen, half sie bis zum zwölften Lebensjahr auf dem elterlichen Hof. Dann wurde der Vater krank, verkaufte den Hof, starb. Das Mädchen verstand nicht, warum Gott das zuließ, fragte den Pastor, den Lehrer, studierte Theologie.

Und sie fühlt sich wohl mit diesem Schritt; der eigene Garten war lange Hof-Ersatz. Und dann, im April 2014, ergab sich die Chance, beides zu verbinden und Landwirtschaftspastorin zu werden. Sie griff zu. Absolvierte im Herbst 2015 ein Praktikum in zwei Schweinemastbetrieben „damit ich das nochmal handfest hatte; nochmal die Forke geschwungen“.

Denn auch wenn sie angesichts ihrer bäuerlichen Herkunft kein Glaubwürdigkeitsproblem hat: Der direkte Kontakt zu den Landwirten – sei es auf Vortrags-Touren, sei es bei individueller Seelsorge – sei ihr wichtig, „und unter den Bauern gibt es genauso viele Kirchenkritiker wie in der Gesamtbevölkerung.“

Trotzdem werden sie und die 14 Ehrenamtler der von ihr mitgeleiteten Landwirtschaftlichen Familienberatung immer wieder angefordert. Dann fahren sie zu den Bauern, schlichten bei Hofübergabe- und Generationenkonflikten – und auch mal im Dorf.

Dort stellen die Bauern inzwischen meist die Minderheit und zum allgemeinen Höfesterben kommen weitere Konflikte: Die Zugezogenen, auf der Suche nach dem Bullerbü-Idyll, behindern teils die landwirtschaftliche Arbeit. Erst neulich habe es Unterschriften und persönliche Attacken gegen einen Bauern gegeben, der einen Bio-Putenstall errichten wollte.

So etwas ist kein Einzelfall, weshalb Rabe jetzt bei einem Treffen von Bauern und Kirchenvertretern bei Cuxhaven zum allgemeinen Umdenken und zum empathischen Dialog aufrief. „Nicht weggucken, sondern genau hinsehen und miteinander reden!“, rief sie den Leuten zu. Denn mit bloßem Jammern über die Probleme sei es nicht getan.

Petra Schellen