am eigenen Leib
: Alte Lebensmittel retten

Eine Radtour an der holsteinischen Ostseeküste kann man schon machen.Nur Vitamine sollte man sich sicherheitshalber selbst mitbringen

Manchmal ist bizarr, was von einem Urlaub in Erinnerung bleibt. Mit dem Tandem fuhren wir von Kiel bis nach Oldenburg. Immer von West nach Ost muss so eine Küstenradtour gehen, sagt mein Partner, der ein halber Seemann ist, dann hat man Schiebewind.

Nach Kiel kommt man mit dem roten Doppeldeckerzug. Oben in die Sitze gekuschelt gucken wir in die Wiesenlandschaft und essen nichtsahnend die noch am Hamburger Hauptbahnhof erworbenen belegten Baguettes. Avocado mit Schafskäse, getrocknete Tomate mit Parmesanspänen, Gurke, grüner Salat und Mais.

Auf dem Ostufer der Kieler Förde, erwischen wir den Ostseeradwanderweg. Weiten Blick, richtiges Meer-Feeling gibt es ab der Strandpromenade in Laboe.

Etwas verstörend ist der Anblick des „Ostsee-Ferienparks“ am Naturschutzgebiet Marina Wentorf. Hier werden die fast schon gemütlich wirkenden Apartment-Betonburgen aus den 1970ern neuerdings von Luxus-Neubauten mit Schmetterlingsdächern umzingelt, deren auseinander strebende Dachspitzen etwas bedrohlich in den Himmel ragen. Nachverdichtung am Dünenrand eben. Dahinter endlich beginnt ein breiter Radweg, eine richtige Rennpiste. Vorbei an Ferienorten mit Namen wie Kalifornien und Brasilien düsen wir mit Tempo 30 Richtung Osten.

Es regnet inzwischen in Strömen, und der Hunger kommt. Im nächsten Dorf, so verspricht die Radwanderkarte mit einem Weinglas-Symbol, sollen wir auf eine „Ausflugsgaststätte“ stoßen.

Für die weißen Tischtücher fühlen wir uns mit unseren nassen Regencapes nicht fein genug. Aber der Kunde zahlt. Mein Partner wählt den Flammkuchen mit Tomaten und Rucola, ich habe Jieper auf Gesundes und ordere die Asiatische Gemüsepfanne.

Was nun auf den Tisch kommt, wird alle anderen Erinnerungen an diesen Urlaub überschatten: das schlimmste Gemüse meines Lebens. Neidvoll blicke ich auf das frische Clorophyll im Rucola auf dem Teller meines Partners. Aber der tauscht nicht.

Ich dachte bis dahin eigentlich nie, dass Gemüse eklig ist. In den mir bekannten Restaurants bekommt man es entweder roh als Salat oder zart gedämpft und gedünstet. Auch verkocht finde ich es völlig okay, und die Mehlsoße, die zu Zeiten meiner Kindheit manchmal am Kohlrabi haftete, fand ich auch eher lecker.

Konservengemüse habe ich länger nicht mehr gegessen, erinnere aber, dass auch diese Karotten, Erbsen und Bohnen noch etwas Farbe und feste Konsistenz haben. Nicht so die Teile, die nun auf meinem Teller liegen. Allenfalls der konservierte Bambus bietet den Zähnen noch etwas Widerstand, matschige Soja-Sprossen, Glasnudeln, Glibber und was sonst noch in graubraun auf meinem Teller schwamm, bilden nur einen geschmacksarmen Matsch.

Ich schaue später im Internet nach, was das gewesen sein kann. Meine vorsichtige Analyse: In Glas konserviertes Gemüse gekocht, gefroren, und wieder aufgewärmt, oder so. Im Hamburger Schanzenviertel schmisse man einem Restaurant, das so etwas serviert, die Scheiben ein. Oder es würde vielleicht sogar Kult. Stichwort: alte Lebensmittel retten.

Spontan-Urlaub an der Ostsee geht schon. Für Vitamine muss man aber selbst sorgen. Auch der Imbiss im nächsten Ort hat nur Pommes, Würstchen und Eis. Am zünftigen Oldenburger Bahn­hofs­kiosk gibt es eisgekühltes Radler-Bier, dazu Käsebrötchen, diesmal ohne Chichi. Aber das ist Okay, schließlich heißt es nicht Gemüsebaguette. Kaija Kutter