Wegen Lappalien ohne Lappen

FÜHRERSCHEINENTZUG Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann will „charakterlich nicht geeigneten“ Straftätern den Führerschein entziehen. Und bekommt dafür selbst vom Justizminister eine Schelte

„Schünemann missbraucht die Straßenverkehrsbehörden“,

SPD-Innenexpertin Johanne Modder

Niedersachens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hat die Polizei per Erlass angewiesen, Gewalt-Straftaten in jedem Fall an die Verkehrsbehörden zu übermitteln. Diese könnten dann eine medizinisch-psychologische Untersuchung einleiten und bei „erheblichen Zweifeln an der charakterlichen Eignung“ die Fahrerlaubnis entziehen.

Die Regelung gelte im Bund seit August, behauptete Schünemann. Man habe „da nicht sofort reagiert“, gab er sich zerknirscht, sei aber nun zur Tat geschritten. Sofort reagiert hat auch Justizminister Bernd Busemann (CDU). Er erinnerte seinen Kabinettskollegen zum wiederholten Mal daran, dass „in einem Rechtsstaat eine Strafe für rechtswidriges Verhalten nur durch ein Gericht ausgesprochen werden“ dürfe und riet „zum sensiblen Umgang“ mit Führerscheinentzug.

Für Schünemann fallen weder die Datenübermittlung noch ein daraus resultierender Führerscheinentzug unter die Rubrik „strafrechtliche Sanktionen“. Es handele sich hier lediglich „um verkehrsbezogenes Gefahrenabwehrrecht sowie um Prävention“.

Schünemanns Erlass beruft sich auf das Straßenverkehrsgesetz. Danach sind auch Straftaten mit „hohem Aggressionspotential“ den Verkehrsbehörden zu melden – vorausgesetzt, dass „nicht nur vorübergehende Mängel hinsichtlich der Eignung einer Person zum Führen von Kraftfahrzeugen“ zu vermuten sind. Bei Schünemann fehlt diese verkehrstechnische Anbindung.

Heftige Kritik gab es daher von der Opposition. SPD-Innenexpertin Johanne Modder sagte: „Schünemann missbraucht die Straßenverkehrsbehörden, zu deren Aufgaben die Gewährleistung der Sicherheit im Straßenverkehr gehört, nicht die Bestrafung von Straftätern.“ Helge Limburg, Justizsprecher der Grünen, sprach von „einer Strafe durch die Hintertür“. Ohne „rechtliche Kontrolle und „anwaltlichen Beistand“ unterlaufe der Erlass „rechtsstaatliche Prinzipien“. Der ADAC nannte den Erlass „rechtlich nicht sauber“.

MICHAEL QUASTHOFF