Sekundarschulen keine Alternative zum Gymnasium

Studie Schulreform hat in Nordrhein-Westfalen nicht zu mehr Bildungsgerechtigkeit geführt

Die Sekundarschule scheint zu einer Art neuen Volksschule zu werden

BERLIN taz | „Historisch“ nennt das Schulministerium von NRW den 2011 getroffenen Schulkonsens. Nach „jahrzehntelangem, teils erbittert“ geführtem Streit über die richtige Schulstruktur hätten sich SPD, Grüne und CDU auf einen Kompromiss verständigt. Der war nötig, weil die rot-grüne Landesregierung für ihre Bildungsreform Stimmen aus der CDU brauchte, um den Erhalt der Hauptschule aus der Landesverfassung zu streichen. Dafür kam auf Wunsch der CDU rein, dass die verschiedenen Schulformen nebeneinander bestehen bleiben. Das Gymnasium – so die Kernforderung der Konservativen – bleibt in jedem Fall bestehen.

Als Alternative für die unpopuläre Hauptschule wurde eine neue Schulform eingeführt: die Sekundarschule. Sie sollte ein längeres gemeinsames Lernen ermöglichen und so die Bildungsgerechtigkeit erhöhen.

Deren Erfolg bestreitet nun eine Studie der Rosa-Luxemburg-Stiftung, die am Donnerstag in Düsseldorf vorgestellt wurde. Der Schulkonsens ist ein „deutlicher Schritt in die Richtung eines zweigegliederten Schulsystems, das das Gymnasium unangetastet lässt“, heißt es darin. Die Bildungsgerechtigkeit, so die Autoren, sei damit nicht gestiegen. Denn die neue Sekundarschule hat keine Oberstufe. Wer also Abitur machen will, muss aufs Gymnasium – oder auf die Gesamtschule. Zuletzt waren in Nordrhein-Westfalen zwei Drittel aller SchülerInnen auf dem Weg zum Abitur. Bald dürften es vier von fünf SchülerInnen sein, prognostiziert die Studie. Nur: Bei gleicher Leistung in der Grundschule ist die Wahrscheinlichkeit, dass Kinder von AkademikerInneneltern eine Empfehlung für das Gymnasium erhalten, viermal höher als bei Kindern von Nicht­akademikerInneneltern.

Die Sekundarschule ist eine Art neuer Volksschule aus Haupt- und RealschülerInnen, sagt Karl-Heinz Heinemann, Vorsitzender der Rosa-Luxemburg-Stiftung von NRW. „Die Erwartungen an die Sekundarschule haben sich nicht erfüllt.“ In diesem Jahr wurden nur mehr fünf Sekundarschulen angemeldet. Und andere hätten sich bereits in eine Gesamtschule umgewandelt, weil die Eltern das Angebot nicht angenommen hätten. „Die Eltern wollen ihre Kinder auf eine Schule schicken, auf der sie das Abitur machen können“, sagt Heinemann. Das belegen auch die Zahlen: 1970 waren es in NRW noch 1.500 Hauptschulen. Mittlerweile gibt es noch 456, von denen knapp die Hälfte „ausläuft“.

Die Linkspartei nützt die Studie, um den aus ihrer Sicht faulen Kompromiss der SPD-Ministerpräsidentin mit der CDU zu geißeln. „Mit der Sekundarschule scheitert ein weiteres großes Projekt von Hannelore Kraft“, stellt Özlem Alev Demirel, Sprecherin der NRW-Linken, fest. „Mit den Linken hätte es bereits 2011 eine Mehrheit für eine wirkliche Schulreform gegeben. Aber dafür fehlte Kraft und Löhrmann der Mut.“

Die grüne Schulministerin Sylvia Löhrmann verteidigt die Sekundarschulen: „Mehr längeres gemeinsames Lernen hat es in Deutschland nie gegeben“, heißt es auf Anfrage der taz. Die Studie sei keine Kampfansage an die Sekundarschule, stellt Karl-Heinz Heinemann klar. Sondern die Feststellung, dass der jetzigen Sekundarschule das Entscheidende fehlt: „Wenn es auf dem ländlichen Raum auch ein paar Oberstufenzentren gäbe, würde es auch funktio­nieren.“ Ralf Pauli

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