Mit der heilen Welt ist es vorbei

Rudern Heute findet der Vorlauf für den deutschen Achter statt. Der Berliner Ruderer Anton Braun ist nicht dabei. Der Athlet selbst kritisiert den Bundestrainer scharf. Andere Ruderer tun dies zumindest dezent

Ist nicht unbedingt der beste Freund von Trainer Ralf Holtmeyer: Ruderer Anton Braun Foto: David Oliveira

Von
David Joram

Diejenigen, die mit dem Ruderzirkus vertraut sind, sehen in Ralf Holtmeyer einen ziemlich harten Hund. So wie Ex-Ruderer Florian Mennigen, der sagt: „Holtmeyer findet Konflikte innerhalb des Teams für die Leistung förderlicher als eine zu gute Stimmung.“ Dass die Methoden des Deutschlandachter-Trainers grenzwertig sein können, weiß Mennigen aus eigener Erfahrung. Er wurde 2012 Olympiasieger mit ihm. Kritische Töne drangen aber kaum in die breite Öffentlichkeit. Holtmeyers Schützling Anton Braun hat diesen Zustand nun beendet. Im Gespräch mit der taz sagte er: „Generell wurde ich vom Bundestrainer kein einziges Mal in diesem Jahr während der Vorbereitung trainiert, angesprochen oder auch nur angesehen.“ Der 26-Jährige schiebt nach: „Die Stimmung innerhalb des Achters ist nicht gut; wenn jemand eine eigene Meinung hat, sieht das der Bundestrainer nicht gerne. Ich halte ihn für eine menschliche Katastrophe.“ Und: „Holtmeyer definiert alles über Druck und heizt den Konkurrenzkampf massiv an. Nur das Ziel Olympiasieg hält das Team zusammen, sonst herrscht viel Missgunst, vom Trainer befördert.“

Nun muss man sicher wissen, dass Anton Brauns Zorn auch was mit seiner Versetzung zu tun hat.

Wenn nämlich heute, 11 Uhr Ortszeit, das legendäre Boot zum Vorlauf ins olympische Wasser gelassen wird, schaut Braun zu. Er darf mit Max Korge, Felix Wimberger und Maximilan Planer nur im Vierer ran. Der fährt am Dienstag das erste Mal, gilt medaillentechnisch als Außenseiterboot – und in der öffentlichen Wahrnehmung als unsichtbar. Verglichen mit dem Achter jedenfalls.

Anton Braun hatte bis April fest damit gerechnet, dem Achterteam anzugehören. Er galt in der Vorbereitungszeit als einer der besten Ruderer. Die deutschen Zweier-Meisterschaften in Köln gewann er gemeinsam mit Felix Drahotta. Eigentlich galt dieser Lauf als wichtiger Test für die Besetzung des Achters. Folglich rechneten Experten fest mit Braun. Im April hieß es dann: Kuffner statt Braun. „Große Überraschung im Deutschland-Achter“, titelte die Berliner Morgenpost. Ex-Ruderer und 2012er Olympiasieger Filip Adamski wundert sich ebenfalls: „Nichts gegen Kuffner. Aber die Entscheidung, Anton Braun nicht nach Rio mitzunehmen, hat mich persönlich sehr aufgeregt. Er war über das ganze Jahr gesehen unter den Top 2.“ So schwer die Absage für Braun zu verkraften war, so sehr ärgerte er sich über deren Übermittlung. „Die Erklärung des Bundestrainers war absolut lächerlich. Ich hätte keinen Siegeswillen und sei labil.“ Die kommunikativen Fähigkeiten Holtmeyers stellt Braun ebenfalls infrage. Florian Mennigen bestätigt dies: „Was Kommunikation betrifft, ist Ralf Holtmeyer nicht der Beste. Da läuft nicht immer alles so gut.“

Holtmeyer will dies alles nicht überbewertet wissen: „Ich kann verstehen, dass Anton enttäuscht ist. Aber er hat erhebliche Leistungsschwankungen und eine grundsätzliche Labilität. Letztlich müssen auch die Charaktere zusammenpassen, damit die Mannschaft Erfolg hat.“

Adamski und Braun zeichnen ein anderes Bild. Wie ein Unternehmen würde das Team funktionieren, Kameradschaft sei quasi zweitrangig, nur die Leistung zähle. Dieses Prinzip, das öffentlich eher von der kitschigen Erzählung des Zusammenhalts von acht Freunden und ihres Steuermanns überdeckt wird, vermittelt Holtmeyer wohl mit aller Härte. Adamski meint dazu: „Niemand hat gesagt, dass Sport fair ist. Wer das behauptet, hat keine Ahnung vom Sport. Sport ist alles andere als fair. Es geht auch viel um Lobbyarbeit und politische Entscheidungen. Das ist ein Haifischbecken, in dem es heißt: Friss oder stirb.“

Braun hat das erkannt und die Konsequenzen gezogen. Er weiß, dass einer, der so aneckt wie er, erst mal raus ist. Ihm ist es egal. „Unter dem Trainer Holtmeyer werde ich nie wieder für den Achter fahren“, sagt er. Selbst auf den Start im Vierer, in den man ihn abkommandiert hatte, wollte er verzichten. Nun fährt er doch, auch weil er seine Teamkollegen nicht im Stich lassen möchte. Die Stimmung sei anders als im Achter gut, findet Braun. Dafür sieht es sportlich weniger rosig aus. „Unsere Zielstellung mit dem Vierer ist eine Medaille. Das wäre aber eine große Sensation, weil der Fokus im Ruderverband ganz klar auf den Achter ausgerichtet ist. Die anderen Boote, jedenfalls bei den Männern, sind leider völlig vernachlässigt worden“, meint Braun, der dies ganz grundsätzlich für falsch hält.