Staatsaufbau im Kongo: oben hui, unten pfui

Während Kongos öffentlicher Dienst gegen seine Hungerlöhne streikt, bekommen die Parlamentarier Luxusautos

BRÜSSEL taz ■ Sie kosten 22.000 Dollar das Stück, und insgesamt hat der kongolesische Staat also 13,64 Millionen Dollar ausgeben müssen: für die klimatisierten Toyota-Luxusjeeps mit Allradantrieb, die alle 620 Abgeordneten im Übergangsparlament der Demokratischen Republik Kongo bekommen haben. „Danke, Kabila“ heißen im Volksmund die Schlitten, die am 19. September in der Hafenstadt Matadi bei einer feierlichen Zeremonie an die Volksvertreter übergeben wurden. In dem kriegszerstörten Land, wo fast niemand einen bezahlten Arbeitsplatz hat und vier Fünftel der Bevölkerung chronisch hungern, war dieser Akt der Allparteienregierung von Präsident Joseph Kabila eine regelrechte Provokation. 13,64 Millionen Dollar sind fast so viel wie sämtliche Staatsausgaben für Bildung, Gesundheit, Soziales, Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zusammen.

Besonders anstößig erschien der Wagenkauf in dem Zusammenhang, dass der öffentliche Dienst seit Anfang September streikt, um menschenwürdige und regelmäßige Gehälter zu erzwingen. Speerspitze der Protestbewegung sind die Lehrer, die von der Regierung verlangen, eine im Februar 2004 ausgehandelte neue Gehaltsstruktur endlich umzusetzen, wonach der niedrigste Besoldungsgrad monatlich 208 US-Dollar bekommen soll und der höchste 2.080. Bisher wird nicht einmal die unterste Stufe erreicht, und viele Staatsdiener gehen mit umgerechnet höchstens 30 Dollar im Monat nach Hause. Die Regierung hat andererseits eine im Kongo gängige Praxis für abgeschafft erklärt, wonach Lehrer ihre Gehälter von den Eltern ihrer Schüler bekommen – dies wurde in den 90er-Jahren Usus, als unter der Mobutu-Diktatur die staatlichen Dienste nicht mehr finanziert wurden und die Bevölkerung Schulen in Eigenregie weiterbetrieb.

Die erste Reaktion des Staates auf die Streikbewegung war Repression. Der Führer der Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes, Romain Mutu Moyi, wurde am 15. September verhaftet, es gab Übergriffe der Polizei gegen Streikende. Seit 26. September verhandelt die Regierung mit den Lehrern, zu denen sich inzwischen in Teilen des Landes auch andere Gruppen wie Justizangestellte gesellt haben. Sie bot 50 Dollar im Monat an. Die katholische Lehrergewerkschaft unter Jean-Bosco Puna verkündete daraufhin ein Ende des Streiks, und seit Montag gehen einige Lehrer katholischer Schulen wieder zur Arbeit – aber die meisten Lehrer lehnen das Angebot ab. Puna wurde der Korruption bezichtigt und nahezu gelyncht.

Nach fünf Wochen Streik droht nun die Radikalisierung der Protestbewegung. Seit Ende September haben manche privaten Schulen unter dem Eindruck von Drohungen durch Studenten und militante Slumbewohner schließen müssen. Im Kongo wächst die Sorge, dass das komplette Schuljahr 2005/06 ausfallen wird – ausgerechnet das Jahr, in dem das Land historische freie Wahlen erleben soll.

Dass die Abgeordneten, deren Parteien sich demnächst zur Wahl stellen wollen, nun in Luxusjeeps durch Kinshasa fahren, sorgt für Empörung. Mehrere der neuen Autos sind schon angegriffen worden; einige Abgeordnete haben ihre angeblich gleich verkauft. „Es liegt nicht an den Autos, dass die Lehrer nicht bezahlt werden“, sagte zwar Parlamentspräsident Olivier Kamitatu. Aber auch im Staatshaushalt 2006 ist nicht genug Geld vorgesehen, um die Forderungen der Streikenden zu erfüllen.

Das Geld für die Autos kommt nach Angaben von Senatssprecher Lambert Mende von den Parlamentariern selbst, in Form einer monatlichen Rate von 500 Dollar – ein Drittel ihres Gehalts – plus 9.000 Dollar Ruhegeld, das ihnen theoretisch zum Ablauf ihrer Mandate zusteht. Aber auch das beruhigt die Staatsbediensteten angesichts ihrer lächerlichen eigenen Gehälter nicht. Minister im Kongo verdienen übrigens 7.000 Dollar im Monat, Vizepräsidenten 200.000 und Präsident Kabila hat einen Etatposten von 17 Millionen zur freien Verfügung.

FRANÇOIS MISSER