FÖJ mit Wasserflöhen

Ökobildung Das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) findet immer mehr InteressentInnen. Gerade hat der Senat die Plätze auf 360 erhöht. Vielen jungen Leuten bietet es die Gelegenheit, ihre Berufsvorstellungen im Bereich Umweltbildung zu konkretisieren

Lea Randolf ist eine von bislang 300 jungen BerlinerInnen, die jährlich ein Freiwilliges Ökologisches Jahr absolvieren. Sie arbeitet im Britzer Garten in Neukölln Foto: Amélie Losier

von Claudius Prößer

Von der Brücke aus zeigt Lea Randolf über die Seenlandschaft des Britzer Gartens: „Mit den Kitagruppen gehen wir ans Ufer und untersuchen das Wasser mit der Becherlupe. Wenn ich am Anfang frage, was denn für Tiere in einem Teich leben, heißt es oft ‚Hai! Krokodil!‘, aber die Kinder merken bald, dass Wasserflöhe oder Molche auch sehr spannend sein können.“

Randolf ist FÖJlerin im Freilandlabor des Britzer Gartens, sprich: Sie absolviert ein Freiwilliges Ökologisches Jahr in einer Einrichtung der Umweltbildung, die ihr Angebot an Kitakinder und SchülerInnen, aber auch an ErzieherInnen und Lehrkräfte richtet. Die 23-Jährige hat im letzten Sommer einen der 300 Berliner FÖJ-Plätze ergattert, jetzt endet ihr Einsatzjahr. Das FÖJ, die jüngere und vor allem kleinere Schwester des Freiwilligen Sozialen Jahrs (FSJ), ist im Kommen: Für die Saison 2016/17 hat die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung die Plätze auf 360 aufgestockt.

Am Rand des Britzer Gartens liegt einer von Lea Randolfs Haupteinsatzorten: die „Ökolaube“. Ein paradiesischer Garten voller Blüten, Kräuter, Beeren und Früchte, mit einem von Seerosen bedeckten Teich, Sonnenkollektoren und einem Holzhäuschen für Gruppenaktivitäten. Hier unterhalten sie und die anderen Freiwilligen des Freilandlabors Themenbeete. Randolf hat „Amerika“ gewählt, Tomaten, Mais, Süßkartoffeln, Paprika und Kürbis gedeihen darauf. Vor allem Kürbis. „Das war so nicht geplant“, sagt sie und lacht, „der überwuchert einfach alles andere.“

Die Stadtkinder, mit denen sie in die Ökolaube geht, lernen, dass Kräuter verdammt lecker sein können („Minze? Kaugummi!“), sie erfahren, wie der Hafer aussieht, den die meisten nur als Flocken kennen, und gerade Jungen begreifen nach längerem, einfühlsamem Zureden, dass Insekten nicht zum Zertrampeln da sind. „Wenn sie sich dann trauen, einen Grashüpfer auf die Hand zu nehmen und zu betrachten, macht das unheimlich Spaß“, berichtet Randolf.

Am 1. September startet das neue FÖJ-Projektjahr. Durch die Aufstockung auf 360 Plätze ist eine Bewerbung noch möglich.

Das FÖJ kann als Wartesemester angerechnet werden. Es gibt ein Taschengeld von 355 Euro.

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Die meisten FÖJlerInnen schieben das Freiwilligenjahr zwischen Schule und Studium oder Berufsausbildung, bei Lea Randolf ist es etwas anders: Sie hat schon mehrere Semester Politikwissenschaft studiert, sich dann aber für den Studiengang Soziale Arbeit an der Alice-Salomon-Hochschule beworben. Weil sie außerdem ihr Faible für Biologie entdeckt hatte, war das FÖJ im Freilandlabor mit seiner Schnittmenge aus Ökologie und Bildungsarbeit genau das richtige Intermezzo für sie.

Seit 1993 haben Berliner Jugendliche und junge Erwachsene zwischen 16 und 27 Jahren die Möglichkeit, den einjährigen Freiwilligendienst im Umweltbereich zu absolvieren. Das FÖJ wird gefördert durch den Europäischen Sozialfonds, das Bundesfamilienministerium und – in Berlin – die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung. Drei gemeinnützige Träger bieten hier Einsatzstellen an: neben der Stiftung Naturschutz Berlin (SNB) das Jugendaufbauwerk Ost (JAO) und die Vereinigung Junger Freiwilliger (VJF).

Zwar gibt es auch im urbanen Berlin klassische Naturschutzprojekte, in denen FÖJlerInnen Streuobstwiesen pflegen oder Amphibienzäune reparieren. Darüber hinaus liegen aber viele Einsatzstellen in den Bereichen Bildung, Umweltanalytik, Verkehr oder nachhaltiges Wirtschaften, sei es im Infoladen des ADFC, beim Bundesverband Geothermie oder im Labor des Leibniz-Instituts für Zoo- und Wildtierforschung.

Laura Goronzy ist 18, hat gerade Abitur gemacht und ist aus dem hessischen Marburg hergezogen. Sie hat ihr FÖJ in den vergangenen 12 Monaten bei Kunst-Stoffe Berlin gemacht, einem Verein, der Abfallvermeidung und nachhaltigen Umgang mit Materialien fördert. Repaircafés und Lastenrad-Workshops gehören zum Portfolio, im Zentrum stehen zwei Lager für Gebrauchtmaterial in Pankow und Neukölln: Dort werden von Unternehmen oder künstlerischen Einrichtungen Holz- und Metallreste, Bühnendekorationen, Stoffe oder Pappen angenommen und an Interessierte weitergegeben.

Kinder erfahren, wie der Hafer aussieht, den sie meist nurals Flocken kennen

„Einmal kamen unfassbare Mengen Briefumschläge von der ‚Bread&Butter‘. Alle mit Logo, aber auch die konnte jemand sinnvoll verwenden.“ Akquise und Logistik im Lager haben Laura Goronzy besonders Spaß gemacht. Genauso viel Zeit hat sie im Büro verbracht und an der Öffentlichkeitsarbeit des Vereins mitgewirkt: Telefondienst, Pressespiegel, Betreuung der Website. Nach einem Jahr weiß sie, dass eine reine Bürotätigkeit nicht ihre größte Leidenschaft ist. „Aber planen, organisieren, im Team arbeiten, das mache ich sehr, sehr gerne. Ich weiß jetzt viel mehr darüber, wie ich später arbeiten will.“ Erst einmal steht aber ein Studium an: Philosophie und VWL.

Was das FÖJ ganz besonders macht, sind die Seminare. Fünfmal im Projektjahr treffen sich die Freiwilligen in Gruppen von 20 oder 30, diskutieren über Nachhaltigkeit und fairen Handel, treffen UmweltaktivistInnen im Tagebaugebiet der Lausitz oder besteigen ein Windrad.

Vieles organisieren die Gruppen und ihre gewählten SprecherInnen auch selbst, vieles ist sehr politisch: „Auf einer Bundesdelegiertenkonferenz haben wir einen Workshop zum Thema ‚Naturschutz gegen Rechtsextremismus‘ gemacht“, berichtet Lea Randolf, die als eine der Berliner LandessprecherInnen daran beteiligt war, und lacht wieder: „Soll keiner denken, es sei nur Ökokram, was wir hier machen.“