Bernhard Clasen über Brennstäbe für die Ukraine
: In jeder Hinsicht Irrsinn

Sichtlich erschüttert von ihrem Besuch im Unglücksreaktor Tschernobyl ist die deutsche Bundesumweltministerin Barbara Hendricks vor ein paar Monaten vor die ukrainische Presse getreten und warb für einen Atomausstieg wie in Deutschland. Nun, vor nur wenigen Tagen, hat die deutsch-britisch-niederländische Uran­firma Urenco einen Deal über die Lieferung von angereichertem Uran in die Ukraine ausgehandelt.

Wer Urenco kennt, weiß, dass ein derartiger Vertrag nur mit Zustimmung der Bundesregierung zustande gekommen sein kann. Während die Worte der Ministerin von einer umweltfreundlichen Energieversorgung ohne Atom vielen Menschen in der Ukraine noch in den Ohren klingen, lässt die deutsche Regierung Urencos Deal ohne Einspruch passieren und gibt damit ihre Zustimmung zu einem „Weiter so“ in der ukrainischen Atompolitik.

Zur Erinnerung: Das ukrainische Atomkraftwerk von Saporoschje, das größte Europas, liegt gerade einmal 250 Kilometer von der Front entfernt. Und niemand weiß, wie es weitergehen wird mit einem Krieg, den man nicht Krieg nennen darf. Und damit nicht genug: Es sind auch europäische Institutionen, wie die Bank EBRD oder Euratom, die die ukrainische Atomwirtschaft mit Krediten von über ­einer halben Milliarde Euro versorgt haben. Angeblich zur Modernisierung der Kraftwerke. Tatsächlich aber wird mit dieser Modernisierung der ­Weiterbetrieb der uralten sow­jetischen Schrottreaktoren finanziert.

Noch kann die Ministerin so tun, als sei sie bei dem jüngsten Deal gar nicht gefragt worden. Doch spätestens dann, wenn das erste Uran im deutschen Gronau für ukrainische Atomkraftwerke angereichert und geliefert werden wird, muss das deutsche Umweltministerium Farbe bekennen. Denn eine Ausfuhrgenehmigung von in Deutschland angereichertem Uran geht nur mit Genehmigung der Bundesumweltministeriums.

Wirtschaft+Umwelt