Ohne Speed und Spirit

sAISONVORBLICK I Vergangene Saison landete der VfL Wolfsburg im Nirgendwo der Tabelle. Die neuen Spieler sollen jetzt den Teamgeist voranbringen

Im Büro des Wolfsburger Geschäftsführers Klaus Allofs steht eine Mini-Kopie des DFB-Pokals auf einem Regal. Einsam und allein. Der Pokalsieg 2015, verbunden mit der Vizemeisterschaft, erschien Fußball-Deutschland als der zwangsläufige Anfang einer sportlich erfolgreichen Zukunft der VfL Fußball GmbH. Sie kann immer noch kommen. Sie gilt aber nicht mehr als zwangsläufig vor der neuen Saison, in die der VfL am Wochenende mit einem mühsamen 2:1 im DFB-Pokal beim Drittligisten FSV Frankfurt startete. Am Samstag spielt man am 1. Bundesliga­spieltag in Augsburg.

Das letzte Jahr war trotz Erreichen des Champions-League-Viertelfinales ein klarer Rückschritt in der Entwicklung von Kader und Fußballstil. Der VfL spielte dominanten Ballbesitzfußball – und landete damit im Nirgendwo der Tabelle. Im Unterschied zum FC Bayern und dem BVB fehlten nicht nur die Varianten und der Speed, sondern vor allem auch der Teamspirit, der Glaube, mit diesem Club und durch dieses Team Großes erreichen zu können. Das ist der hochproblematische Kern, der auch in der Geschichte um Julian Draxlers Wechselwunsch steckt. Es sei „immer klar“ gewesen, dass Wolfsburg für ihn ein „Sprungbrett“ zu einem „internationalen Topclub“ sein solle, teilte Nationalspieler Draxler über Bild der Welt mit. Ehrlicher, aber auch vernichtender geht es kaum. Ob Trainer Dieter Hecking und Allofs diesen über Draxler hinausgehenden Anti-Spirit verbessert bekommen, ist die Schlüsselfrage der Saison.

Erst dahinter, aber damit zusammenhängend kommen die Personalien. Die verkauften Nationalspieler Schürrle und Kruse haben den VfL nicht vorangebracht, aber Innenverteidiger Naldo (jetzt Schalke) war neben Kevin De Bruyne der zentrale Spieler der letzten Jahre.

Wie wichtig Yannick Gerhardt (aus Köln), Daniel Didavi (aus Stuttgart) und Jakub Blaszczykowski (aus Dortmund) werden, ist noch nicht zu sagen. Die Verpflichtung von Mario Gomez ist definitiv eine zentrale Personalie, da Allofs seit Arbeitsbeginn Ende 2012 zwar einen hochklassigen Kader zusammengestellt hat – in dem aber immer ein Keilstürmer von höchstem Niveau fehlte. Der frühere Bayern-Profi Gomez, 31, schien über seinen Zenit hinaus und war in der Türkei gelandet. Doch nun bringt er eine bei der EM neu gewonnenen Reputation als wichtiger Nationalspieler mit nach Wolfsburg. Man hat ihn oft und laut abgeschrieben. Und er kam immer zurück. Das ist wohl die Kernbotschaft, die Allofs auf den VfL übertragen will.

PETER UNFRIED