Berliner Szenen
: Post-Post-Generation

Nicht allein

Die junge Frau schenkt mir eingiftiges Lächeln

Pankow, früh am Morgen. Ups! „Diese Postfiliale ist geschlossen. Bitte nutzen Sie …“ Ich kapiere nicht gleich, was los ist. Es ist wie ein Terroranschlag im Hirn. Wie das? Das prächtige alte Gebäude mit schönen gelben Lettern über dem Eingang, an dem ich seit zehn Jahren fast täglich vorbeigehe, ist nicht mehr? Ein Knotenpunkt, der weit und breit einzige passable Geldautomat. Alles weg? Neben mir steht eine Dame. Krampfhaft stützt sie sich auf ihren Gehstock ab. Sie starrt mit aufgerissenen Augen auf die verschlossene Tür. Sie tut mir leid. Ich muss aber weiter.

Der Brief muss unbedingt zur Post. Ich fahre zur Schönhauser Allee. Die Zeit wird knapp. Eine Schlange. Dort ist immer Schlange. Ich war mal früher ein Teil von ihr. Schon lange her.

Ich sammle Mut und versuche zu tricksen. Ich warte, bis der junge sympathische Mann aus der Schlange dran ist, und bitte ihn, mich vor zu lassen. No Chance, er habe es auch eilig. Früher hat der Trick immer funktioniert. Ein Rückzug wäre peinlich. Ich wende mich an die junge Frau, die nun dran ist. Sie schenkt mir ein giftiges Lächeln: „Willkommen im Leben!“

Am Nebenschalter poltert ein Mann. Er kriegt seine per Post zugeschickte Mobilkarte nicht ausgehändigt, weil sein Vorname auf der Sendung mit dem in seinem Pass nicht identisch ist. Ein Buchstabe fehlt. „Ich bin es doch, gucken Sie das Foto!“ Die Postangestellte sagt: „Es tut mir leid, aber wir haben unsere Anweisungen.“ Auch ihm kann ich nicht helfen.

Endlich dran. Die Schalter-Dame strahlt mich an. „Sorry, aber der Computer streikt gerade!“ Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wieso man zum Frankieren eines Briefes einen Computer benötigt. „Sie sagen es, junge Frau! Wir haben uns wohl freiwillig von den Maschinen abhängig gemacht.“ Das stimmt mich milder. Ich bin nicht allein. Irina Serdyuk