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Rosario Murillo, First Lady von Nicaragua Foto: dpa

Sie zieht die Strippen

Jetzt wird sie offiziell Vizepräsidentin. Rosario Murillo, 65, First Lady Nicaraguas und omnipräsente Erscheinung in den staatlichen und parteieigenen Medien Nicaraguas, steht vor ihrem entscheidenden Schritt an die Macht.

Die Ehefrau von Präsident Daniel Ortega ist gelernte Sprachlehrerin (Englisch, Französisch). Sie wurde in den 1970er Jahren als Sekretärin des streitbaren Zeitungsverlegers Pedro Joaquín Chamorro politisiert. Um der zunehmenden Repression unter Diktator Somoza zu entgehen, floh sie ins Exil, noch bevor ihr Chef ermordet wurde.

In Costa Rica lernte sie Daniel Ortega kennen, der mit der sandinistischen Befreiungsbewegung (FSLN) den Umsturz plante. Dank eines Volksaufstands und einer breiten na­tio­nalen und internationalen Allianz gegen den Diktator übernahmen die Sandinisten 1979 die Macht.

Murillo leitete die Vereinigung der Kulturschaffenden (ASTC) und machte sich mit ihrem elitären Kulturverständnis den Kulturminister und Dichter Ernesto Cardenal zum Feind, der die Verbreitung der Künste an der Basis förderte.

In die Schlagzeilen geriet sie 1999, als ihre Tochter aus erster Ehe, Zoilamérica Narváez, öffentlich machte, dass sie von ihrem Stiefvater Daniel Ortega seit ihrem elften Lebensjahr missbraucht worden sei. Ortega nahm dazu nie inhaltlich Stellung. Rosario Murillo entschied sich für ihn und gegen die Tochter.

Seither wächst ihr Einfluss: Auf ihr Betreiben hin beschloss das Parlament 2006 mit den Stimmen der Sandinisten ein absolutes Abtreibungsverbot. Wenige Tage später gelang Ortega der Wahlsieg.

Inzwischen kontrolliert die wegen ihrer esoterischen Allüren umstrittene Frau den Verwaltungsapparat. Sie fungiert als Regierungssprecherin, gibt zu allen Ereignissen ihre Meinung ab. Terminanfragen an Minister oder andere Funktionäre müssen über ihren Schreibtisch gehen. Die Bürgermeister erscheinen regelmäßig bei ihr zum Appell.

Mit Daniel Ortega hat Murillo sieben Kinder, von denen die meisten heute TV-Kanäle leiten oder sich in der staatsnahen Wirtschaft auf Höheres vorbereiten. Ralf Leonhard