Höchststrafe für Kindermörder

Justiz Silvio S. muss für die Morde an den Kindern Mohamed und Elias für viele Jahre ins Gefängnis

POTSDAM taz | Er wende sich nicht nur an die Öffentlichkeit, erklärt der Vorsitzende Richter Theodor Horstkötter am Dienstag vor dem Landgericht Potsdam. „Die Urteilsverkündung richtet sich auch an Sie.“ Bei diesen Worten schaut er Silvio S. an. Für das Gericht steht fest, dass S. die kleinen Jungen Elias und Mohamed umgebracht und zuvor sexuell missbraucht hat.

Drei Stunden dauert die Urteilsbegründung. Der 33-jährige, soeben wegen zweifachen Mordes zu lebenslanger Haft mit besonderer Schwere der Schuld Verurteilte hält diesem Blick oft stand – wenn er sich nicht gerade Tränen abwischt oder auf die Tischplatte starrt. Später wird der Verteidiger erklären, dass seinen Mandanten die Worte des Richters „berührt“ hätten.

Horstkötter sprach von den permanenten Abwertungen, die S. von Kindheit an erfahren hatte. Aus Angst, dass sich keiner um ihn schere, ließ er sich ausnutzen. Längst erwachsen, bezog er sogar ein Haus mit seinen Eltern, obwohl er wusste, dass er dort seinem unbeherrschten Vater ausgesetzt sein würde. „Sie waren für andere der Depp, dumm und minderwertig. Es ist Ihnen nie gelungen, akzeptiert zu werden.“ In höchster Not schüttete S. auch mal sein Herz gegenüber Nachbarn und Bekannten aus – „soweit dies Ihnen, einem mehr als verschlossenen Menschen möglich war. Sie haben ein einsames, freudloses Leben geführt.“ In seiner Sehnsucht nach Nähe kuschelte S. sogar mit Puppen.

Es schwingt viel Mitgefühl in dieser Rede, die eigentlich nur das Strafmaß begründen soll. Diese aber will mehr – sie will eine geschockte Öffentlichkeit informieren, den Opfern ein letztes Mahnmal setzen und sie will dem Verurteilten vermitteln, welch schreckliche Taten er beging.

Wohlweislich haben Mutter und Stiefvater des sechs Jahre alt gewordenen Elias den Saal verlassen, noch bevor irgendwelche Details über den Tod ihres zuvor schwer sexuell missbrauchten Kindes erwähnt werden. Die Mutter des getöteten Mohamed dagegen, die vom Gericht ein Schmerzensgeld von 20.000 Euro zugestanden bekam, tut dies erst danach. Plötzlich steht sie auf, weist mit dem Zeigefinger auf S. und stößt einen Schwall Beschimpfungen aus.

Auch damit geht der Richter souverän um. Er wartet, bis die hysterisch Kreischende von ihren Begleitern behutsam aus dem Saal geschoben ist. Dann rät er S., die therapeutischen Angebote, die ihm im Strafvollzug gemacht werden, anzunehmen: „Und zwar jedes!“ Zaghaft nickt der Angesprochene. Uta Eisenhardt