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Historisches Korrekturwerk

Brisant Die taz half bei der Revision deutscher Geschichtsschreibung zum „Reichstagsbrand“

Jüngst veröffentliche der Rowohlt-Verlag das Buch „Der Reichstagsbrand“ des New Yorker Historikers Benjamin Carter Hett. Neben einer Fülle von neuen Quellenfunden weist er nach, dass die in der bundesdeutschen Geschichtswissenschaft in den sechziger Jahren kanonisierte These von der Alleintäterschaft des Kommunisten Marinus van der Lubbe für den Reichstagsbrand 1933 falsch ist. Doch die Einzeltäterthese hätte eigentlich schon vor 20 Jahren als falsch bewertet werden müssen – beinah unabhängig von erst seit wenigen Jahren zugänglichen postsowjetischen Aktenbeständen, die die Alleintäterschaft Marinus van der Lubbes als absurde Annahme kenntlich machen.

taz-Redakteur Klaus Hillenbrand hat in seiner Rezension zu „Der Reichstagsbrand“ in dieser Zeitung (taz vom 24. 5. 2016)genau dies hervorgehoben. Er schreibt: „Hett ist fair, kann es wohl auch sein, weil er nicht Teil der bundesdeutschen His­to­ri­ker­zunft ist – anders als der kürzlich verstorbene Hans Mommsen, dessen 1964er Aufsatz zur Täterfrage der Darstellung des umstrittenen Verfassungsschützers Fritz Tobias vertraute und diese so zum gültigen Narrativ in der Bundes­repu­blik gemacht hat. Hett verzichtet auf jegliche Polemik gegen Mommsen und unterstreicht dessen große Verdienste, bleibt aber dabei, dass sich Mommsen hier nicht nur geirrt hat. Denn zugleich deckt Hett eine schier unglaubliche Erpressungsgeschichte gegen das Institut für Zeitgeschichte durch Fritz Tobias auf, der damit gedroht hatte, die NSDAP-Mitgliedschaft des Institutsleiters öffentlich zu machen.“

Taktvoll unerwähnt ließ Hillenbrand, dass Hans Mommsen, einer der mächtigsten Historiker der alten Bundesrepublik, noch 1998 zu aller Cholerik fähig war, wie die taz zu spüren bekam, nachdem sie am 21. Februar 1997 ein mehrseitiges Dossier von Alexander Bahar und Wilfried Kugel zum Reichtagsbrand veröffentlichte, Titel: „Waren es doch die Nazis?“. Hans Mommsen reagierte darauf direkt telefonisch: wütend und empört. Er war damals nicht mehr erpressbar und doch bereit, Redakteure einzuschüchtern, die seiner Darstellung widersprachen.

Das Dossier von Alexander Bahar und Wilfried Kugel ist über das taz-Archiv ebenso erhältlich wie ein lesenswerter Mommsen-kritischer taz-Text des Historikers Hersch Fischler (taz vom 4. 11. 2000)zum gleichen Thema. Auf die Expertisen von Bahar, Kugler und Fischler, so steht es im Literaturzeichnis des sehr lesenswerten Buchs „Der Reichstagsbrand“, konnte sich Benjamin Carter Hett verlassen. Jan Feddersen

Sie möchten das taz-Dossier zum Reichstagsbrand nachlesen? Klicken Sie auf: www.taz.de/info