Türkei

Die politischen Umwälzungen in der Türkei werden in der EU mit wachsender Sorge beobachtet. Aber hat das auch Konsequenzen?

Kein EU-Beitritt mit Todesstrafe

Diplomatie Man werde die Entwicklungen „genau beobachten“, erklärte Regierungssprecher Seibert. Nun müsse sich der Rechtsstaat beweisen. Der Flüchtlingsdeal werde von den Ereignissen nicht berührt

Am Samstag demonstrierten in Ankara Tausende mit Nationalflaggen gegen den Putschversuch. Auf einem Plakat fordert ein Mann die Wiedereinführung der Todesstrafe Foto: dpa

Aus berlin Anja Maier

Die Botschaft der Bundesregierung an den türkischen Ministerpräsidenten war klar. Sollte die Türkei die Todesstrafe wiedereinführen, wäre dies das Ende der Beitrittsverhandlungen zur Europäischen Union. Vor der Hauptstadtpresse sagte Steffen Seibert am Montag im Namen der Bundeskanzlerin: „Deutschland und die EU haben eine klare Haltung: Wir lehnen die Todesstrafe kategorisch ab. Ein Land, das die Todesstrafe hat, kann nicht Mitglied der Europäischen Union sein.“

Das war eine deutliche Reaktion der Kanzlerin auf die dramatischen Ereignisse in der Türkei. Recep Tayyip Erdoğan, der Mann, mit dem Merkels Große Koalition den Flüchtlingsdeal – Geld gegen Grenzschließung – geschlossen hatte, hatte nach dem gescheiterten Putschversuch am Wochenende nicht ausgeschlossen, in der Türkei die Todesstrafe wieder einzuführen.

Bei einer Ansprache vor Unterstützern hatte der Präsident auf lautstarke Fragen nach der Todesstrafe für Putschisten gesagt: „Wir dürfen diese Forderungen nicht ignorieren.“ Und er fügte hinzu: „In einer Demokratie bekommen die Menschen, was immer sie wollen.“ Einmal abgesehen von der fehlenden Belastbarkeit eines derartigen Demokratiebegriffs muss Erdoğan klar gewesen sein, dass in einem solchen Fall die Europäische Union die Beitrittsverhandlungen mit Ankara sofort abbrechen müsste und würde. In Berlin bekräftigte der Regierungssprecher denn auch noch einmal die Worte der Kanzlerin, wonach sich der Rechtsstaat gerade im Umgang mit den Verantwortlichen für den Putschversuch beweisen müsse. Die Bundesregierung werde „alles sehr genau beobachten und Fehlentwicklungen ansprechen“.

Moderater waren Seiberts Aussagen über die Auswirkungen auf die Flüchtlinge in der Türkei. Die Bundesregierung sehe den Flüchtlingsdeal „getrennt“ von den Ereignissen des Wochenendes. Das Abkommen, das einen „humanitären Grundansatz“ verfolge, zeige gute Ergebnisse: „Das Sterben in der Ägäis hat so gut wie aufgehört“, sagte er. Beide Seiten erfüllten ihre Zusagen, die Einhaltung des Flüchtlingsabkommens sei „in beiderseitigem Interesse“. Die EU werde ihren Teil des Abkommens erfüllen. „Wir erwarten das auch von der Türkei.“

Seibert machte klar, dass es für die Türkei weiter kein Entgegenkommen bei den Bedingungen für die Visafreiheit geben werde. Eigentlich sollte bereits zum 2. Juli die Visumpflicht für türkische Staatsbürger bei der Einreise in die EU aufgehoben werden. Aktuell aber verzögert sich der Termin, weil die türkische Seite noch nicht alle Bedingungen erfüllt hat, darunter die Reform der Anti-Terror-Gesetze.

Im Gegenzug darf die EU alle Schutzsuchenden, die seit Mitte März auf griechischen Inseln eingetroffen sind, in die Türkei zurückschieben. Eine Ausnahme bilden nur Asylbewerber, die nachweisen können, in der Türkei verfolgt zu werden. Zugleich darf seit dem 4. April für jeden zurückgeschickten Syrer ein anderer Syrer aus der Türkei direkt in die EU einreisen.

Bis Montagmittag hatte Merkel noch nicht mit Erdoğan telefoniert. Gleichwohl lege sie „Wert auf regelmäßigen Kontakt“, sagte ihr Sprecher. Auch der Sprecher von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hingegen hatte Kontakt zu Erdoğan. Sein Sprecher bekräftigte am Montag erneut die Erwartung, dass sich die türkische Regierung rechtsstaatlich verhalten werde.

Am Montag war Steinmeier zum EU-Außenministertreffen nach Brüssel gereist. Noch am Wochenende hatten die Mitglieder des Gremiums Ankara zur Mäßigung aufgerufen. Auch die EU-Außenbeauftragte Federica Mogherini schloss aus, dass die Türkei mit der Todesstrafe noch EU-Mitglied werden könne. Erweiterungskommissar Johannes Hahn mutmaßte gar, die Listen für die Verhaftung Tausender Soldaten und Beamter hätten in Ankara längst in der Schublade gelegen.