Akihito bangt ums Vermächtnis

Japan Mit seinem Wunsch nach vorzeitigem Rücktritt wendet sich der Kaiser gegen Shinzo Abes Stärkung von Nationalismus und Militarismus

Japans Kaiser Akihito Foto: dpa

AUS TOKIO Martin Fritz

Japans Kaiser hat die Regierung nach Medienberichten aus Tokio schon vor einem Jahr über seinen Abdankungsplan informiert. Die Veröffentlichung seiner Anfrage ausgerechnet drei Tage nach der Oberhauswahl halten Beobachter daher für keinen Zufall. Denn als Folge dieser Wahl kontrollieren konservative Kräfte um Premierminister Shinzo Abe erstmals zwei Drittel der Abgeordneten in beiden Parlamentskammern. Mit dieser „Supermehrheit“ wollen sie die Verfassung ändern. Die geplanten Revisionen untergraben jedoch das Vermächtnis Akihitos.

Nach dem Tod von Kaiser Hirohito 1989, in dessen Namen Japan in den Weltkrieg gezogen war, strengte sich sein Sohn Akihito an, dass die Lehren aus diesem historischen Fehltritt des Kaiserhauses nicht in Vergessenheit gerieten. Er nannte seine Amtszeit „Heisei“ (Frieden schaffen) und besuchte seitdem viele Länder und Gebiete, die im Weltkrieg von japanischer Invasion und Gewaltherrschaft betroffen waren, darunter 1991 Thailand, Malaysia und Indonesien, 1992 China und 1993 das japanische Okinawa. Zuletzt reiste er in hohem Alter nach Palau und in die Philippinen.

Zwar unterließ er die oft verlangte Entschuldigung, auch weil ihm diese politische Geste von der Verfassung her untersagt ist. Aber er äußerte jeweils „tiefes Bedauern“ über die Vorkommnisse. „Ich bete dafür, dass die Tragödie des Krieges sich nicht wiederholt“, sagte er zum 70. Jahrestag des Kriegsendes im August 2015 und zeigte dabei viel mehr Mitgefühl als Premier Abe.

Im Dezember erklärte Akihito, die Erinnerung und das Verständnis des Kriegs seien für Japans Zukunft am wichtigsten. Dies wurden als Mahnung verstanden, angesichts des wachsenden Nationalismus und Militarismus an der pazifistischen Grundhaltung im Nachkriegs-Japan festzuhalten. Mit ihrer Zweidrittelmehrheit im Parlament würde die rechtskonservative Front hinter Regierungschef Abe gern das Pazifismusgebot in Artikel 9 abschaffen. Und laut dem Verfassungsentwurf von Abes Liberaldemokraten soll der Kaiser wie vor dem Weltkrieg offizielles Staatsoberhaupt werden. Bisher ist er nur „Symbol des Staates und der Einheit des Volkes“.

Die geplante Ver­fassungsreform ­untergräbt Akihitos Vermächtnis

Mit seinem Vorstoß will der Tenno offenbar seine politische Botschaft in Erinnerung rufen und die Verfassungsdebatte in seinem Sinne beeinflussen. Im japanischen Denken ist seine Bitte um die erste vorzeitige Abdankung seit 200 Jahren „meiwaku“, also eine Belästigung von anderen, weil Regierung und Parlament das Thronfolgegesetz ändern müssten. Das nimmt Akihito jedoch in Kauf: denn dabei würden auch die anderen ungelösten Zukunftsfragen des Kaiserhauses auf den Tisch kommen.

Die Suche nach einer Antwort wird wohl Jahre dauern. Die bisherigen Reformbemühungen schei­terten jedenfalls kläglich. 2005 versuchte Premier Junichiro Koi­zumi vergeblich, auch Frauen als Thronfolger zuzulassen. Denn Akihito hat nur einen einzigen Enkelsohn, der die männliche Linie in der übernächsten Generation aufrechterhält. 2012 lief Premier Yoshihiko Noda mit seinem Ansinnen vor die Wand, dass die Frauen der Tenno-Sippe auch nach einer Heirat im Kaiserhaus bleiben dürfen. Akihito hat drei Enkeltöchter, die bisher bei einer Ehe automatisch ihren kaiserlichen Status verlieren.

Beide Vorstöße sollten die Thronfolge langfristig sichern. Doch die Reformen scheiterten an Traditionalisten, die Frauen nicht für gleichwertig halten und Bürgerliche nicht in die Kaiserfamilie einheiraten lassen wollen. Stattdessen möchten einige Konservative die alten Adelsfamilien, die nach dem Krieg ihre Titel verloren, wiederherstellen. Wegen Akihitos Wunsch muss diese Büchse der Pandora wohl wieder geöffnet werden. So könnte der Monarch noch zu Lebzeiten die Zukunft des Kaiserhauses absichern.