Auf die Barrikaden!

FILMREIHE Anlässlich seines 80. Jahrestags widmet sich das Kino Lichtblick dem Spanischen Bürgerkrieg von 1936 bis 1939

Zu den sehenswerten Filmen der Gewerkschaft CNT gehört auch das Hafenarbeiter-Melodram „Barrios Bajos“ (26. 7., 18 Uhr) Foto: Lichtblick

von Fabian Tietke

Als das faschistische Italien 1935 Äthiopien überfiel, reagierten die Regierungen Europas kaum mehr als symbolisch. Auch die europäische Linke hatte offenbar anderes zu tun, als sich um den ersten großen Krieg des Faschismus zu kümmern. Das änderte sich, als ein Jahr später, im Juli 1936, spanische Offiziere um den General Sanjurjo mit Unterstützung der faschistischen Regierungen in Italien und Deutschland gegen die gewählte Regierung der spanischen Republik putschten. Sanjurjo verunglückte auf dem Rückflug aus dem Exil nach Spanien tödlich. Das entstandene Machtvakuum aufseiten der Nationalisten wurde durch ein Triumvirat von Generälen gefüllt.

Der dreijährige Bürgerkrieg, der diesem Putsch folgte, wurde ab den 1970er Jahren auch im Ausland allmählich wiederentdeckt. Der Widerstand der allgemeinen Bevölkerung gegen den Putsch vor allem in Katalonien wurde für die westeuropäische Linke zu einem utopischen Bezugspunkt für eine Revolution jenseits des Dogmatismus der Sowjetunion.

Anlässlich des 80. Jahrestags des Beginns des Spanischen Bürgerkriegs widmet das Berliner Kino Lichtblick diesem nun eine umfangreiche Filmreihe unter dem Titel „A las barricadas – Bürgerkrieg und Revolution in Spanien 1936–1939“. Die Reihe versammelt Filme aus der Zeit des Bürgerkriegs, aktuelle Dokumentarfilme in Erinnerung an diesen und eine Reihe von deutschen Dokus, die dessen Rezeptionsgeschichte in Deutschland nachzeichnen. Ausgangspunkt der Rezeption in Westdeutschland war vor allem Hans Magnus Enzensbergers Film-Roman „Buenaventura Durruti – Biographie einer Legende“ von 1972. Der Film entstand parallel zu den Arbeiten an Enzensbergers Roman „Der kurze Sommer der Anarchie“ und zeichnet in Interviews mit Wegbegleitern und Zeitzeugen den Werdegang Durrutis zu einer zentralen Figur des Bürgerkriegs nach.

Enzensbergers Film ist heute nicht nur als Dokumentation sehr sehenswert, sondern auch weil sich an dem Film die Mystifizierung des Bürgerkriegs direkt beobachten lässt: Wie damals üblich übersetzt der Film die Interviewten nicht mit Untertiteln, sondern durch ein deutsches Voice-over; nicht selten ist die deutsche Stimme in diesen Passagen deutlich engagierter, lebendiger als die Originalstimme. Während im Original eine Gegebenheit wiedergegeben wird, erscheint das Erzählte im Deutschen als politischer Abenteuerroman.

Die Filme geben Einblick in eine im Rückblick fortschrittliche Ästhetik

Eine zweite Besonderheit hebt Enzensbergers Film von den anderen Dokumentationen ab: In seltener Offenheit berichtet Durrutis Lebensgefährtin Émilienne Morin von der chauvinistischen Seite der anarchistischen Bewegung in Spanien. Aller Theorie von der Gleichheit der Geschlechter zum Trotz ­berichtet Morin von der auch unter Anarchisten weit verbreiteten Auffassung, dass Frauen nun einmal an den heimischen Herd gehörten und in der Politik nichts verloren hätten.

In Berlin Premiere hat Antonio J. García de Quirós Rodríguez’ Doku „Memoria Viva – Lebendige Erinnerung“ über die Geschichte der anarchosyndikalistischen Gewerkschaft CNT. Der Film lässt Angehörige der CNT über ihre Lebensgeschichte mit der Gewerkschaft und die Repression, die sie erfahren ­haben, berichten. Viele der Interviewten schlagen einen Bogen in die spanische Gegenwart und sehen die erkämpften Arbeitnehmerrechte bedroht. Die Geschichten der Interviewten machen „Memoria Viva“ zu einem Querschnitt der Geschichte der spanischen Linken im 20. Jahrhundert. Zu beurteilen, ob sich der Film einen Gefallen tut, indem er die Kapitel des Films nicht nur durch Texttafeln und historische Filmausschnitte, sondern auch durch pathetische Sequenzen trennt, bleibt dem Zuschauer überlassen.

Besonders sehenswert sind auch die zahlreichen Filme, die die CNT während des Bürgerkriegs selbst produziert hat. Auch wenn keiner dieser Filme mit deutschen Untertiteln läuft, sondern in Originalfassung, teils mit französischen Untertiteln, sollte man sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen. Filme wie die Komödie „Nosotros somos así“, das Hafenarbeiter-Melodram „Barrios bajos“, die surreale Komödie „Nuestro culpable“ oder der visuell umwerfende „Carne de fieras“ geben gleichermaßen einen Einblick in eine vergangene Lebenswelt und in eine im Rückblick umwerfend fortschrittliche Ästhetik. Man muss kein Wort Spanisch verstehen, um von diesen Filmen hingerissen zu sein.

„A las Barricadas: Bürgerkrieg und Revolution in Spanien 1936–1939“, Lichtblick, 14. 7. bis 3. 8., www.lichtblick-kino.org