Die Experten-Schmiede

Vermittler zwischen Ost und West sind gefragt. Die „East European Studies Online“ an der Freien Universität Berlin bilden sie aus. Das Profil der Teilnehmer: motivierte Akademiker, die Englisch und eine slawische Sprache beherrschen

VON TILMAN VON ROHDEN

Studieren an großen Universitäten ist häufig verbunden mit überfüllten Hörsälen, überlaufenen Seminaren und vollen Bibliotheken. Kontemplative Ruhe ist an den Hochschulen in Berlin eine Seltenheit. Für viele Studierende ist der Besuch auf dem Campus lästige Notwendigkeit. Lernen in den eigenen vier Wänden erscheint dagegen als reizvolle Alternative.

Einen Weg zum akademischen Abschluss ohne die tägliche Mühsal des Besuchs von Veranstaltungen bietet das Osteuropa-Institut der Freien Universität Berlin – allerdings nur denjenigen, die schon einen Diplom in der Tasche haben.

Seit drei Jahren können dort Graduierte aller Fachrichtungen einen Master-Abschluss im Rahmen eines Online-Studiums erwerben. Ganz ohne Präsenzen geht es auch dort nicht, zweimal im Jahr treffen sich die Teilnehmer am Studiengang für rund eine Woche in Berlin, um an Intensivkursen teilzunehmen.

„Der Studiengang reagiert auf die veränderten Verhältnisse in Osteuropa. Dort sind zunehmend Experten gefragt, die zwischen Ost und West vermitteln können und sich in beiden Kulturen auskennen“, sagt der Leiter des Studiengangs East European Studies online, Klaus Segbers, Professor am Osteuropa-Institut. „Internationale Organisationen wie die OSZE haben einen nennenswerten Bedarf an in dieser Weise Qualifizierten.“

Das Studium, das Bewerbern aus dem In- und Ausland offen steht, ist breit angelegt. Vermittelt werden Kenntnisse aus Wirtschaft und Gesellschaft, Recht und Politik sowie Kultur. Weitere Schwerpunkte der Ausbildung sind die Themen interkulturelle Kommunikation und Konfliktmanagement. Zum Studium gehören ein mehrmonatiges Praktikum und eine schriftliche Abschlussarbeit. Sämtliche Veranstaltungen sowie die E-Learning-Lektionen werden in englischer Sprache abgehalten.

Die verlangten Voraussetzungen: Interessenten müssen ein Erststudium erfolgreich absolviert haben. Mit dem bekannten Tofl-Test sind sehr solide Kenntnisse der englischen Sprache nachzuweisen. Außerdem verlangen die Voraussetzungen, dass der Kandidat eine osteuropäische Sprache beherrscht. Dies kann auch innerhalb der ersten sechs Monate nach Studienbeginn nachgewiesen werden. Den Bewerbern wird ebenfalls eine schriftliche Stellungnahme zur Motivation abverlangt. „Viele Bewerber können ihre Gründe für die Aufnahme dieses Studiums nicht klar darlegen, ihre Motivation bleibt im Dunkeln. In solche Fällen erfolgt die Ablehnung des Bewerbers“, sagt Segbers. Pro Jahr können rund 30 Bewerber aufgenommen werden. Der jetzige Kursus startet mit 23 Studenten, obwohl es 35 Bewerbungen gab.

Für ein Online-Studium sprechen nach Segbers die erweiterten Möglichkeiten. „Viele Studenten kommen aus Osteuropa, Griechenland, USA und Kanada und stehen im Arbeitsleben. Ohne das Online-Verfahren wäre ihnen dieses berufsbegleitende Studium nicht möglich.“ Die Präsenzen würden dafür sorgen, dass es trotz virtueller Kommunikation genügend Austausch gebe.

Als problematisch erweist sich zuweilen der Preis des Studiums. Es kostet 6.900 Euro. „Das ist im internationalen Vergleich sehr moderat“, sagt Segbers. Dennoch scheitern manche Bewerber an dieser Hürde. Sie können das Geld nicht aufbringen.

Für Eva Schmassmann war dies jedoch keine Problem. Sie hatte wie die meisten Kandidaten einen Job, als sie vor drei Jahren das Studium bei Segbers aufnahm. Vor wenigen Tagen hat sie ihr Diplom in Berlin auf einer kleinen Feier entgegengenommen. „Ich bin froh, dass es vorbei ist“, sagt die 28-jährige Schweizerin, die bisher im Bereich Internationale Beziehungen bei einer NGO arbeitete. „Die Arbeitsbelastung war sehr hoch, jede Woche gab es eine Deadline.“ Der Faktor Online habe sie verführt, sich zu bewerben. „Es klang sehr reizvoll.“ Aber nach wenigen Wochen kam das böse Erwachen. „Die Ausbildung ist sehr strukturiert und engmaschig. Die viel gerühmte zeitliche Flexibilität im Online-Studium beschränkte sich in der Realität darauf zu entscheiden, ob ich am Wochenende oder nachts arbeite.“ Dennoch ist sie zufrieden mit dem Studium, denn sie hat sich neue berufliche Perspektiven erarbeitet. Sie möchte zukünftig im Bereich Konfliktmanagement arbeiten. Über dieses Thema hat sie auch ihre Abschlussarbeit geschrieben. Ihren Nachfolgern wünscht sie eine intensivere Kommunikation über das Netz mit Tutoren, Betreuern und Kommilitonen. „Jeder kann mit jedem zu allen Zeiten in Kontakt treten. Dies ist richtig, jedoch Theorie. In der Praxis klappt es am besten, wenn die Kommunikation stärker institutionalisiert ist.“

Auch Segbers’ Bilanz fällt positiv aus. Die Ausfallquote würde in diesem Studiengang unter 30 Prozent liegen. Üblich seien Quoten von rund 50 Prozent. Segbers führt den Erfolg nicht zuletzt auf das Auswahlverfahren zurück.

Die Bewerbungsfrist für den nächsten Kursus endet im April oder Mai 2006. Weitere Infos unter www.ees-online.org