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Wirtschaft Die größte Last des Austritts wird Großbritannien selbst zu tragen haben

Von Ulrike Herrmann

Der Brexit ist ein Schock für die Wirtschaft, aber Panik sähe anders aus: Das Pfund gab zwar gegenüber dem Dollar zunächst um 12 Prozent nach, erholte sich aber wenig später wieder und lag bei einem Minus von knapp 9 Prozent. Auch die Aktienmärkte beruhigten sich schnell. Der deutsche Aktienindex DAX öffnete mit einem Minus von fast 10 Prozent, doch nach Handelsbeginn ging es wieder aufwärts.

Das Kalkül der Börsianer: Die Briten verlassen zwar die EU, nicht aber den Wirtschaftsraum Europa. Die Briten können ihre Waren ja nicht ins Weltall exportieren. Etwa die Hälfte der britischen Im- und Exporte wird mit Europa abgewickelt.

Die Brexit-Fans glaubten stets, Europa nutze Großbritannien aus. Doch es war anders herum: Die City of London hat bestens davon gelebt, die Kapitalströme in Europa zu lenken und Fluchtgelder in Steueroasen zu schleusen. Würden die Briten den europäischen Wirtschaftsraum verlassen, wären viele Banker in London arbeitslos.

Zudem haben die Briten ein Sonderproblem: Ihr Landesteil Nordirland ist ökonomisch sehr eng mit der Republik Irland verbunden, die weiterhin EU-Mitglied ist. Auch die Schotten würden gern in der EU bleiben. Wenn die Briten ihr Inselreich ökonomisch zusammenhalten wollen, haben sie also keine Manövriermasse, sondern sind gezwungen, die EU-Regeln unverändert zu übernehmen.

Ein Vorbild gibt es schon: Norwegen. Das Land ist kein EU-Mitglied, sondern gehört dem „Europäischen Wirtschaftsraum“ an, um einen „vertieften“ Freihandel mit Europa zu genießen. Das klingt nur attraktiv: Damit der Binnenhandel funktioniert, müssen die Norweger fast alle EU-Gesetze übernehmen – ohne ein Mitspracherecht in Brüssel zu haben. Zudem müssen die Norweger jährlich 388 Millionen Euro an die EU zahlen. Pro Kopf überweisen sie damit so viel nach Brüssel wie bisher die Briten, obwohl sie offiziell unabhängig sind.

Da die Briten ökonomisch an Europa gekettet sind, interessiert Geschäftsleute vor allem, wie lange die Verhandlungen dauern, bis der Brexit formal abgewickelt ist. Ungewissheit kostet immer Geld, weil Investitionen aufgeschoben werden. Der deutsche Bankenverband mahnte bereits, „die Phase der Unsicherheit für die Wirtschaft so kurz wie möglich zu halten“.